Christian Hoosen bei Tore Suessbier
Hoosen überzeichnet die Menschen, die ihm begegnen, sie werden zu grotesken Figuren, überdreht wie aus Comics oder einem Fantasyfilm. Doch alle sind zurückzuführen auf seine tatsächlichen biografischen alltäglichen Erfahrungen. Kleinlichkeit, Verhinderungswillen, Aggression, Jämmerlichkeit strahlen diese Figuren aus, Eigenschaften, die Hoosen auch schon ausgiebig in Gemälden und Zeichnungen pointiert verdichtet hat. Die Skulpturen aus Keramik und gefundenen Materialien haben trotz ihrer ganzen Vergeblichkeit eine lustige, poppige Ausstrahlung und eine gute Unmittelbarkeit. (Silke Hohmann)
Peter Piller bei Capitain Petzel
Das Archiv Peter Piller ist eine fantastische Zusammenstellung von Zeitungsbildern, die nach Motiven geordnet sind. "In Löcher gucken" zum Beispiel: Menschen zeigen auf geöffnete Kanaldeckel. Was passiert, wenn man zu einem Bild ähnliche Bilder dazustellt? Es wird weniger wichtig, seine behauptete Wichtigkeit kippt ins Komische. Peter Piller sagt mit seinem Archiv über Menschen mindestens genauso viel wie über Fotografie. Am Stand der Galerie Capitain Petzel gibt es neben ausgewählten Archiv-Arbeiten auch die relativ neue wundervolle Serie "Erscheinungen". Piller hat die die Hecks von Lastwagen fotografiert, auf denen Fotos von verführerischen Frauen abgebildet sind. Befreit von Logos und Slogans, werden die Werbeträgerinnen zu geheimnisvollen Bildkompositionen. (Silke Hohmann)
Jamel Shabazz bei Bene Taschen
Die beiden jungen Taschendiebe vom Times Square aus den achtziger Jahren sind fast noch Kinder, aber sie ziehen für sich schon Star-Status in Betracht. Jamel Shabazz fotografiert seit den siebziger Jahren in seiner Heimatstadt New York die afroamerikanische Alltagskultur und ist neben Gordon Parks einer ihrer wichtigsten Dokumentaristen. Die Prints bei Bene Taschen haben den sonnigen Schmelz eines geschäftigen Vormittags in Red Hook. Shabazz machte die Bilder auch zur Ermutigung seiner eigenen Community, und das sieht man ihnen bis heute an. (Silke Hohmann)
Art N More bei Galerie Sperling
Bis Mitte Juni präsentierte die Münchener Galerie Sperling die zweite Soloschau des aus Paul Bowler und Georg Weißbach bestehenden Duos ART N MORE. Neben kleineren Papierarbeiten werden drei große Bild-Text-Tafeln der Serie "Aus der Neuen Welt" noch einmal auf der Art Berlin gezeigt. Die Bilder wirken zunächst niedlich, aber in der Kombination von Titel, lateinischem Text und Kindchenschema-Dinosaurier-Motiv auf den zweiten Blick seltsam. Welche "Neue Welt" soll zu sehen sein? Die Dinos und die lateinische Sprache – in Zitaten aus verschiedenen antiken Quellen – sind ausgestorben. "De omnibus dubitandum" – "An allem ist zu zweifeln" könnte das Motto der Reihe sein – und das Credo einer Kunst, die das Prinzip der Künstlichkeit auf die Spitze treibt. (Jens Hinrichsen)
Benjamin Heisenberg bei Ebensperger
Benjamin Heisenberg hat Spielfilme wie "Schläfer" oder "Der Räuber" inszeniert. Der Absolvent der Münchener Kunstakademie ist aber auch als Künstler aktiv. Die Galerie Ebensperger, die ihn seit 2010 vertritt, präsentiert auf der Art Berlin eine Installation, die aus mehreren alten Koffern und Kisten besteht. Gezeigt wird ein Dachbodenfund mit Familienstücken, die bis zur Kaiserzeit zurückreichen. In einer Kiste finden sich eine Wehrmachtsuniform und eine Tageszeitung aus Hitlerdeutschland. Eine der 12 Standlupen, die wie kleine Menschen wirken und titelgebend für die Installation "Twelve Angry Men" waren, vergrößert eine Karte mit der Stadt Chemnitz – ausgerechnet auf der NS-Zeitungsseite. Wahrscheinlich wiederholt sich Geschichte nicht. Aber unsere (Familien-)Vergangenheit werden wir auch nicht los. Der Großvater des Künstlers, Werner Heisenberg, war als Physiker übrigens bis 1945 am Uranprojekt des deutschen Heereswaffenamts beteiligt. (Jens Hinrichsen)
Galerie Michael Haas
Ein Seifenblasenbild von Georg Jiri Dokoupil, ein penibel von René Wirths gemaltes Feuerzeug oder eine figurative Collage von Kerstin Grimm sind in der Koje der Berliner Galerie Haas zu sehen. Als Vorgeschmack auf eine Soloschau in der Niebuhrstraße und im Kunst Lager Haas fällt noch eine kleine bunte Metallskulptur des niederländischen Bildhauers Auke de Vries ins Auge. Die meist aus Stahl gefertigten Plastiken des Künstlers wirken federleicht, ob sie nun 50 Zentimeter oder 25 Meter hoch sind. Oft funktionieren sie wie Zeichnungen im Raum – wie etwa das aus blauen, roten und gelben Bändern gebaute Werk "Ohne Titel" auf der Berliner Messe. (Jens Hinrichsen)
Sprüth Magers
Ausschließlich Werke von Künstlerinnen hat die Galerie Sprüth Magers in ihrer Koje versammelt und die versammelte Weiblichkeit elegant dem Klischee entrissen mit einer starken Betonung von Minimalismus und Redaktion. Das Spektrum reicht von Thea Djordjadzes archektonischen Skulpturen über Pamela Rosenkranz‘ wasserblaues Leuchtbild bis zu Rosemarie Trockels "Moving Wall", deren weiße Paneele sich mit jedem Windhauch sacht bewegen. Eine ältere Textarbeit von Jenny Holzer erinnert daran, dass die Frauen nicht erst seit gestern über sexuelle Belästigung nachdenken, und das Video "Clutch" von Andrea Zittel führt buchstäblich die Fäden zusammen, wenn es die Hände einer Mutter und eines Kindes zeigt, die sich berühren und gemeinsam etwas knüpfen. Weibliches Networking als Messeauftritt: wie schön. (Elke Buhr)
Marc Camille Chaimowicz bei Galerie Neu
Links sein in der Kunst der 60er, das hieß Aktivismus oder Konzeptkunst. In diesen insgesamt sehr heteronormativen, von der eigenen Tiefgründigkeit fest überzeugten Zeiten entschied sich Marc Camille Chaimowicz dafür, lieber das Potential des Dekorativen zu erforschen – und wandelt in seinem wunderbar generischen Werk bis heute auf der bonbonfarbenen Seite des Lebens. Den Stand der Galerie Neu verwandelt er in ein Wohnzimmer: an den Wänden pastellfarbige Tapeten, formal den Wohnungen der englischen Arbeiterklasse entlehnt, doch von einer Manufaktur in London gefertigt. Davor Keramikvasen, handgefertigt in Norditalien, sowie verschiedene Möbel: So verschmelzen Design, Handwerk, Kunst zu einer Mise-en-Scène zwischen Boheme und Alltag, Nostalgie und Zukunftsentwurf: Im Schreibtisch steckt Kommode, eine "double-speed staircase" lässt sich in zwei Geschwindigkeiten erklimmen. Nichts muss sein wie es ist. (Sebastian Frenzel)
Der Salon
Um auch Galerien, die sich einen eigenen Stand nicht leisten können, die Messeteilnahme zu ermöglichen, experimentiert die Art Berlin erstmals mit einem neuen Format – dem sogenannten Salon, kuratiert vom dem Kurator und Autor Tenzing Barshee. Zu diesem kollektiven Messestand konnten Galerien für moderate 500 Euro ein Werk einliefern, 100 Quadratmeter Fläche stehen zur Verfügung. Das hätte normalerweise für 20, vielleicht 25 Werke gereicht. Doch Barshee entschied sich dafür, das etwas altmodisch-parfümierte "Salon"-Konzept durchzulüften – indem er doppelt so viele Werke ausstellt. Wie ein Parasit verhält sich diese vor allem mit Malerei bestückte Gruppenschau zum Rest der Galeriekojen, nicht bemüht aber doch anders: Die Wände sind etwas rauer verputzt, der Parcour in Labyrinth-Form angelegt (Architektur: Alessandro Bava), die Hängung viel zu dich, aber doch auch nicht in Petersburger Willkür: Die Arbeiten sprechen miteinander, es geht um Libido und Ängste und lange Nächte, um Nähe und Distanz, dies und das. Alles nicht ganz ernst, nichts nur ironisch: Malerei 2018. (Sebastian Frenzel)