"Zünden Sie das Papier an, blasen Sie leicht, sodass das Papier anfängt zu glühen!" Wer Anicka Yis Anweisung befolgt, legt die Dokumentation ihres Schaffens in Asche. Doch sobald die Flamme am Katalog zur Ausstellung "7,070,430K of Digital Spit" in der Kunsthalle Basel züngelt, säumen die verbrennenden Seiten den Weg des Zerfalls mit einem ganz speziellen Duft: dem Geruch des Vergessens. "Es ist ein intimer Akt, mit dem man durch olfaktorische Rezeptoren meine Arbeit der letzten fünf Jahre absorbiert", sagt die 1971 in Seoul geborene Künstlerin, die heute in New York lebt.
Sie hat die erste, kürzlich erschienene Monografie über "7,070,430K of Digital Spit" neu drucken lassen und in Parfüm getränkt – und so den Katalog zum zentralen Werk ihrer neuen Schau gemacht. Während sich hier Konzept und Handlung in überraschender Weise vereinen, keimt die Frage, was bleibt und was wird.
Auch in der Kunsthalle rechnet Yi mit den vergangenen Schaffensjahren ab. Von den Gemälden, auf denen sich Bakterien austoben, über die Tür eines Wäschetrockners, hinter welcher der Duft "Aliens and Alzheimer’s" lauert, bis hin zu drei aufblasbaren Miniökosystemen, in denen Tausende frittierte und in Kunstharz gegossene Blumen zu atmen scheinen: Déjà-vus überall. "Man muss sich beeilen, wenn man noch etwas sehen will. Alles verschwindet", hat Paul Cézanne einst geschrieben. Yi setzt diese Spannung künstlerisch um. Ihre Werke sind keine musealen Mumien. Gäben Bakterien Geräusche von sich, würde es in den Ausstellungsräumen fiepen, schaben und kleckern, denn Yi benutzt Materialien wie Agar, Kombucha-Hefe, Ultraschallgel – und die Spuren der Besucher. Für Skulpturen aus Glycerinseife hat sie Proben aus der Luft und von den Oberflächen der Kunsthalle genommen, mittlerweile sind daraus alchemistische Lebendbilder geworden.
Elena Filipovic beweist mit ihrer vierten Schau als Kuratorin der Kunsthalle erneut ihren Mut für das Spiel mit der Institution und den unsicheren Ausgang. Auch wenn Yi die unberechenbaren Grundstoffe nicht über ihre Grenzen aus Glas und Plastik heraustreten lässt, das Wachstum fast zu steril präsentiert wird, liegt die Faszination hier doch darin, dass ihr Ansatz des Vergessens nachhält: Welchen Geruch hat der verbrennende Katalog freigesetzt: War er herb und luftig? Oder doch eher blumig und warm?