Das digitale Arbeiten von zu Hause war die vergangenen Jahre ein oft und kontrovers diskutiertes Thema. Während der Pandemie wurde das Homeoffice für viele nicht nur ein Ersatz für die Büroarbeit. Tech-Mogule wie Mark Zuckerberg sahen 2020 darin sogar einen wesentlichen Faktor für zukünftiges wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand. Der Meta-Chef verkündete, innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre sein Imperium völlig remote zu betreiben. Auch Unternehmen wie Microsoft und Google profitierten während der Pandemie enorm, und der frühere Twitter-CEO Jack Dorsey erklärte, dass die Mitarbeiter:innen bei Twitter nie wieder ins Büro kommen müssten, wenn sie nicht wollten. Viele vergaßen dabei, dass die Arbeit von zu Hause nur für einen Teil der arbeitenden Menschen relevant ist. Es handelt sich in der Regel um privilegierte Jobs, bei denen man nicht an der Kasse, an der Theke, hinterm Steuer oder am Krankenbett stehen muss.
Nun kippt allerdings die uneingeschränkte Liebe für das Homeoffice an vielen Fronten, und selbst diejenigen, die vom Konzept remote work profitierten, rudern wieder zurück ins letzte Jahrzehnt. Unter anderem das Unternehmen Zoom, das während der vergangenen Jahre synonym für die digitale Heimarbeit wurde und nun alle auf der Lohnliste wieder für mindestens zwei Tage ins Büro zurückordert. Ein bisschen klingt das so, als würde eine Wurstfabrik alle Angestellten auf eine vegane Diät setzen, weil das vermeintlich effizienter und gesünder ist.
Aber auch Mark Zuckerberg forderte kürzlich alle Meta-Mitarbeiter auf, wieder im Büro für mindestens drei Tage zu erscheinen. Wer das ab September nicht mehr tut, dem drohe sogar die Kündigung. Auch die Investmentbank Goldman Sachs, Firmen wie Salesforce und Amazon haben wieder eine Präsenzpflicht für drei Tage in der Woche eingeführt. Wer sich daran nicht halte, für den gebe es keine Zukunft im Unternehmen, so Amazon-CEO Andy Jassy. Zuvor gab es dagegen Proteste und Petitionen von mehreren Tausend Amazon-Angestellten – ohne Erfolg. Die Frage, ob remote oder nicht, stellte sich für das Gros der prekär Arbeitenden im Unternehmen, die in der Logistik oder beim Transport arbeiteten, ohnehin nicht. Hier werden Produktivität und Effizienz bekanntlich anders evaluiert.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Wie die Arbeit vom heimischen Schreibtisch ausgelegt wird, kann unterschiedlichste Formen annehmen. So berichtet "Business Insider" vom IT-Spezialisten Ryan Gutridge, der im Jahr 300 Tage von einem Kreuzfahrtschiff aus arbeitet und dabei herausgefunden hat, dass dieser Lifestyle nicht wesentlich teurer sei, als eine Wohnung zu mieten. Gerade in den gut bezahlten Bereichen IT und Software-Entwicklung können die wenigsten Chefs beurteilen, was überhaupt und wie gut gearbeitet wird. Hier verfügen die Arbeitenden über Herrschaftswissen, was seit dem Boom des Homeoffice sogar dazu führte, dass es den Branchen-Trend gibt, mehrere Vollzeitstellen gleichzeitig zu besetzen, um das Einkommen zu verbessern. Websites wie Overemployed geben Ratschläge, wie man das am besten umsetzt, ohne dabei aufzufliegen.
Mutmaßlich aufgeflogen ist hingegen die Versicherungsangestellte Suzie Cheikho, deren Fall es sogar in die australischen Medien schaffte. Ihr Arbeitgeber kündigte ihr, weil er zu wenig Tastenanschläge auf ihrem Firmen-Laptop im Homeoffice verzeichnete. So soll sie im Zeitraum zwischen Oktober und Dezember 2022 pro Stunde zwischen 35 und 80 Tasten gedrückt haben, was der Versicherungsgesellschaft offenbar zu wenig gewesen ist. Suzie Cheikho hingegen berichtet, dass sie wegen ihrer psychischen und mentalen Probleme während der Zeit gekündigt worden sei. Sie war 18 Jahre für das Unternehmen tätig und habe sich immer loyal verhalten.
Produktivität und Effizienz sind die häufigst genannten Gründe, wieso viele Unternehmen wieder auf Präsenzpflicht setzen. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Obwohl so gut wie alle Homeoffice-Rechner wie im Falle von Suzie Cheikho bereits überwacht werden können und auch werden. Doch was sagt die Anzahl der angeschlagenen Tasten während der Arbeitszeit über die Qualität der Arbeit aus? Und wieso weigern sich so viele Menschen, in ihre Büros zurückzukehren? Liegt es vielleicht am toxischen Arbeitsklima in den Firmen? Welche Rolle spielen Mobbing, lange Arbeitswege und mangelnde Selbstständigkeit im Arbeitsalltag?
Obstkörbe und Kickertische sind nicht genug
Dass ewig lange Videokonferenzen den wenigsten Spaß bereiten, wurde sehr schnell klar. Aber Obstkörbe, Discounts für Fitnessstudios und Kickertische sind offensichtlich nicht genug, um Spaß an der Arbeit zu generieren. Großformatige Transformationen wie ein faires und gesundes Arbeitsklima zu schaffen sind aufwendig und vielleicht auch gar nicht gewollt. Schneller als erwartet hat sich deshalb die Arbeitswelt von "The new normal" zu "Back to normal" zurückbewegt.
Das gilt für viele andere Bereiche auch. Wer die letzten Jahre kaum verreisen konnte, betreibt jetzt bewusst "Revenge Travel", also Rachereisen wie Kreuzfahrten oder Flugreisen, die besonders klimaschädlich sind. Man musste ja solange darauf verzichten. Nun jetzt erst recht. Das sagt eine Menge über unsere Welt aus.