Es ist ein ebenso melancholischer wie beeindruckender Anblick: der Abguss des gestrandeten Buckelwals, den der israelische Künstler Gil Shachar 2018 in Südafrika angefertigt hat. Shachar ließ das verendeteTier abformen, goss diese Form mit Epoxidharz aus und vollendete die Skulptur mit malerischen Mitteln. Bei ihrer Präsentation im Kunstmuseum Bochum im Spätsommer 2020 erregte das monumentale Memento mori bereits viel Aufsehen.
Nun bekommt der Wal einen noch ehrwürdigeren Rahmen: Die Galerie Semjon bringt "The Cast Whale Project" für einige Tage nach Berlin in die von Karl Friedrich Schinkel gebaute Elisabethkirche.
Für Gil Shachar, der als Bildhauer eigentlich bekannt für seine hyperrealen Abformungen von menschlichen Köpfen ist, öffnet die Begegnung mit einem gestrandeten Wal so etwas wie eine fantastische Parallelwelt, die seit der Kindheit ins Bewusstsein eingeprägt ist. Wale tauchen in Kindergeschichten, in der Mythologie, in Märchen, Gedichten und Literatur auf. Sie repräsentieren stets eine enorme Kraft, ein Wunder der Natur mit hoher Intelligenz, das jedoch nicht zu unterschätzen ist (wie in Herman Melvilles "Moby Dick").
Beeindruckend und verletzlich
Etwas Besonderes war es schon immer, wenn man auf Reisen einen echten Wal zu Gesicht bekam. Durch die systematische Zerstörung der Natur durch den Menschen sind inzwischen mehrere Arten vom Aussterben bedroht, sodass solch eindrucksvolle Begegnungen bald der Vergangenheit angehören könnten.
Auch das Stranden von Walen an einer Küste hat oft mit einer Verwirrtheit der Tiere durch menschliche Einflüse zu tun. Im Kontext einer Kirche, und so weit weg von seinem natürlichen Lebensraum, erscheint Gil Shachars gigantischer Wal deshalb nicht nur beeindruckend und andächtig, sondern auch ziemlich verletzlich.