Das umstrittene Kirchenfenster des Künstlers Markus Lüpertz für die Marktkirche Hannover ist auf Eis gelegt - zumindest vorerst. Die Spenden für das Werk hatte Altkanzler Gerhard Schröder eingeworben und vermittelt. Wegen dessen Haltung zum Krieg in der Ukraine sehe sich der Kirchenvorstand nicht mehr in der Lage, die finanzielle Förderung anzunehmen, sagte der Vorsitzende des Kirchenvorstands, Martin Germeroth, am Freitag. "Wir können uns derzeit nicht vorstellen, das Fenster einzubauen." Die Spendengelder sollten zurückgegeben werden, kündigte Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes nach einer entsprechenden Entscheidung des Kirchenvorstands vom Vorabend an.
Der Ex-Kanzler steht seit langem wegen seiner Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Kritik. Konkret geht es um Schröders Posten bei den russischen Energieunternehmen Nord Stream 1 und 2 sowie dem Ölkonzern Rosneft, wo er Aufsichtsratschef ist. Er hatte die Regierung in Moskau zwar aufgefordert, den Krieg in der Ukraine schnellstmöglich zu beenden. Von persönlichen Konsequenzen war aber nicht die Rede. Auch ein Entzug der Ehrenbürgerschaft in Hannover rückt für Schröder deutlich näher, außerdem distanziert sich die SPD: Bundeskanzler Olaf Scholz forderte Schröder auf, seine Posten niederzulegen.
"Das Kunstwerk kann nichts dafür", sagte Germeroth. Der ganze Vorgang an sich sei schon bedauerlich, aber "uns schmerzt am meisten, dass der ehemalige Bundeskanzler sich nicht zu Grundsätzen deutscher Politik bekennt und danach handelt". Lüpertz und Schröder seien über die einhellige Entscheidung informiert worden; der Ex-Kanzler habe sie "zur Kenntnis genommen".
"Hier geht es um Menschen"
Warum war die Entscheidung, den Einbau des Reformationsfensters auszusetzen, "alternativlos", wie Marktkirchen-Pastor Marc Blessing formulierte? "Hier geht es um Menschen", erklärte er. "Die mangelnde Distanzierung Gerhard Schröders von der völkerrechtswidrigen und menschenrechtsverletzenden Kriegspolitik Putins ist unvereinbar mit dem friedensethischen Engagement der Marktkirche." Müller-Brandes ergänzte: "Dies ist ein Ort des Friedens, des Gebets und der Hilfe." Das, was in der Ukraine passiert, "treibt uns alle um".
Jetzt sollen die Spender angesprochen werden und ihr Geld zurück erhalten, wie Müller-Brandes sagte. Das umstrittene 13 Meter hohe Buntglasfenster, auf dem unter anderem eine Figur im weißen Gewand - wohl Reformator Martin Luther - sowie fünf große schwarze Fliegen zu sehen sind, sei fertig. Sollte das Fenster eines Tages doch eingebaut werden, werde von den bisherigen Spendern kein Geld angenommen werden. Der Ex-Kanzler hatte den Angaben zufolge beispielsweise Unternehmen um Spenden gebeten, selber aber kein Geld gegeben.
Die Ironie dabei: Erst im November war der jahrelange Rechtsstreit um das Fenster in einer mündlichen Verhandlung am Oberlandesgericht Celle überraschend beigelegt worden. Damit könnte das Werk mit mehr als drei Jahren Verzögerung eingebaut werden - jedenfalls galt dies bis zum vorläufigen Aus. Der Sohn des Architekten, der nach dem Krieg für den Innenraum der Marktkirche verantwortlich war, hatte sich bis zur Einigung gegen das Lüpertz-Werk gewehrt. Demnach sollte per Hinweisschild darauf aufmerksam gemacht werden, dass das Fenster nachträglich eingebaut wurde. Die aus dem 14. Jahrhundert stammende Marktkirche gilt als Wahrzeichen Hannovers.
Und jetzt? "Wir werden über eine neue Finanzierung nachdenken müssen", sagte Müller-Brandes. Das Lüpertz-Fenster kostet den Angaben zufolge etwa 150 000 Euro - und wird erst einmal eingelagert.