Museum Morsbroich

Von Rinderdärmen und Kälberföten

In einem schmalen Gang im Schloss Morsbroich sind Wände und Fußboden mit gelben Postern tapeziert. Der Schriftzug „VIOLENCIA“, spanisch für Gewalt, macht den Museumsraum zur Gefahrenzone. Juan Carlos Romero lagen poetische Spielchen fern, seine Textarbeit von 1973 ist wörtlich zu nehmen. Gewalt gehört spätestens seit 1966, dem Jahr des Staatsstreichs durch den Militär Juan Carlos Onganía, zur täglichen Erfahrung der Argentinier.

Die von Heike van den Valentyn kuratierte Schau „Radical Shift“ zeigt klar, wie Künstler über drei Generationen hinweg auf die Krisen ihres Landes reagierten. Oscar Bony, der argentinische Gerhard Richter, überrascht als Vorläufer von Santiago Sierra. 1968 zahlte Bony einer Arbeiterfamilie für eine Porträtsitzung den doppelten Monatslohn – ein Skandal. Andere pflegen den Schock, Alberto Heredias arrangiert in seinen Objektserien „Lenguas“ (Zungen) und „Amordazamientos“ (Knebelungen) blutüberströmte Zahnprothesen zu Bildern von Machtmissbrauch und Folter.

Es mangelt hier nicht an Plakativem, doch vor allem die surrealistischen Arbeiten beeindrucken. Nicola Costantino presst Föten von Kälbern zu bedrückend schönen Wandreliefs, die an freigelegte Rohrleitungen erinnern. Die Serie „Trenzados“ (Zöpfe) von Cristina Piffer zählt zu den bewegendsten der Ausstellung. Piffer präsentiert Gewalt als biologische Konstante, ihr Material findet sie in Metzgerhaken und Fleisch, Rinderdärme stecken in Gläsern mit Formol, die Künstlerin hat sie zu folkloristischen Mustern geflochten.

Das kollektive Grauen stellt selbst noch die ätherische Videoinstallation Charly Nijensohns von 2008 dar. „El naufragio de los hombres“ (der Schiffbruch der Menschen) findet auf dem bolivianischen Salar de Uyuni statt, dem größten Salzsee der Welt. Arbeiter, die dort vom Salzabbau leben, stellen sich als gesichtslose Untote im Zeitraffer dem Wetter. Der in Buenos Aires geborene Nijensohn lebt inzwischen in Berlin. Welche Geister ihn wohl dort verfolgen?

Museum Morsbroich, Leverkusen, bis 22. Mai