Was muss geschehen, damit ein Design ikonisch wird? Nun, neben der einmaligen Verbindung von Form und Funktion, Farbe und Material und jenem je-ne-sais-quoi kann es nicht schaden, wenn eine berühmte Persönlichkeit das Item zu einem it piece macht. Als Prinzessin Diana, die "Königin der Herzen", die "Lady Dior" anlässlich einer Ausstellungseröffnung trug, erlangte die Tasche Weltruhm. Und damit wären wir bei der Geschichte der Handtasche aus dem Haus Dior, die im Rahmen des Projekts "Dior Lady Art" zum Ausgangspunkt künstlerischer Auseinandersetzung wird.
Das Modehaus Dior bat im Rahmen der "Dior Lady Art #3" Künstler, die Tasche neu zu interpretieren. Die fertigen Modelle werden auf Events des Hauses Dior vorgestellt (unter anderem anlässlich der Art Basel in Miami) und ab dem 10. Januar in limitierter Serie erscheinen. Die ikonische Tasche, mit den Augen bildender Künstler betrachtet, verweist zugleich auf die Differenz zwischen Kunst und Design, die Christian Dior, der eigentlich bildender Künstler werden wollte, von Anfang an zu überwinden suchte.
Von oben genannter Prinzessin Diana ist es gedanklich weit zu einer weiteren berühmten Engländerin, Maggie Thatcher nämlich, für die zwar keine eigene Handtasche, dafür aber ein eigenes Verb erfunden wurde: to handbag. Thatcher, die ihre tantenhafte Handtasche in Szene zu setzen wusste (oder glauben Sie, das Täschchen stand zufällig auf Verhandlungstischen?), gelang das Kunststück, ein Symbol der Weiblichkeit in eines der männerdominierenden Macht umzuwandeln.
Miss "There is no such thing as society" Thatcher trug freilich eine schlichte und zurückhaltende Variante der Handtasche, vergleicht man sie mit den ikonischen It-Bags der 2000er: limitiert, luxuriös und schwer zu kriegen. Marx hätte seine pure Freude an der Verwandlung von Ware zu Fetischobjekt gehabt. Bei Dior nun wird das Fetischobjekt zum Kunstobjekt.
Die Metamorphose von Design zu Kunst beginnt mit der Fremdmachung: Ins Atelier der Künstler verpflanzt, korrespondieren sie mit deren Kunst, wo sich sogleich Fragen nach den Grenzen des Designs stellen: Wie viel von der Form, Verzierung und Farbigkeit kann man verändern, bis die Ikone verschwindet?
Dass es nicht einfach darum geht, ein neues Design der Tasche zu entwickeln, sondern um die Übersetzung der individuellen Formsprache in das Designobjekt, zeigt sich beispielsweise bei der koreanischen Künstlerin Lee Bul. Eine ihrer bekanntesten Arbeiten für das Museum of Modern Art hatte rohen Fisch als Ausgangsmaterial. Die Geruchsbildung beim Verrotten machte die Installation zu einem lebendigen Kunstwerk. Ganz so lebendig sind die Taschen nicht, und doch lassen drei der Taschenmodelle Moos, Edelsteinstrukturen und Landschaft, organische Strukturen also, assoziieren. Sie stehen im Kontrast zu Lee Buls kalten, eher mechanischen Installationen. Das vierte Modell aber lässt an einen gebrochenen Spiegel denken, und erinnert schon eher an die spiegelnden Oberflächen und schroffen Strukturen ihrer Installationen. Bilder von Weiblichkeit – in ihrer Reduktion auf Körperlichkeit und Biologie, aber eben auch im vermuteten oder anerzogenen Narzissmus – werden evoziert.
Eine ganz andere Form der Materialität präsentiert Burçak Bingöl, die in Istanbul lebt und arbeitet. Sie greift in ihren Modellen ornamentale Designs der osmanischen und islamischen Tradition auf. Besonders schön: ein Taschendesign in weißem Fell, das auf den ersten Blick an klassische weiße Keramik mit blauem Blumendekor erinnert, und seine Textur erst auf den zweiten Blick preisgibt. Keramik wiederum ist eines der wichtigsten Materialien der Künstlerin. Für "A Carriage Affair" nahm sie einst den Abdruck eines LKW und führte ihn in Keramik aus. Überraschende Stofflichkeit hier wie da.
Das gilt auch für die Arbeiten der bolivianischen Künstlerin Olga de Amaral. Jeder, der sie einmal gesehen hat, wird ihre Taschenentwürfe sofort identifizieren können, so ikonisch sind ihre Arbeiten an der Grenze von Textilkunst und Malerei: Oberflächen wie goldene Mosaike, in changierenden Farben, Strukturen und Texturen. Man verspürt bei Amarals Arbeiten stets den Wunsch, die Oberflächen zu berühren und ihren Veränderungen nachzuspüren, insofern ist hier der Übergang von Kunstobjekt zu Design gewissermaßen zwingend und nur folgerichtig: Denn die Tasche ist gemacht für die Hand.
Ausgerechnet in der Tasche also, dem (wenn auch luxuriösen) Gebrauchsobjekt, findet die Kunst zu sich selbst. "To handbag" könnte eine ganz neue Bedeutung erhalten.