Erfolgreiche Bilder auf Instagram

Wie fotografische Innovationen Mainstream wurden

Zehntausende von Fotos mache er jedes Jahr, sagte Martin Parr einst, wenn sich darunter zehn gute Fotos finden, war es ein gutes Jahr. Über die Qualität seiner Bilder spricht der wohl bedeutendste britische Fotograf in Interviews mit höflicher Bescheidenheit. Von Henri Cartier-Bresson stammt das bekannte Zitat: "Deine ersten 10.000 Bilder sind Deine schlechtesten." Im digitalen Zeitalter dürften es ein paar mehr sein, womöglich 100.000.

Täglich werden auf Instagram mehr als 95 Millionen Beiträge hochgeladen, das soziale Fotonetzwerk hat mittlerweile 500 Millionen aktive Nutzer, 300 Millionen sind täglich aktiv. Die Wenigsten werden sich Gedanken machen, ob die Fotos, die sie täglich sehen oder teilen, im Sinne von Martin Parr oder Henri Cartier-Bresson nun besonders gut oder besonders schlecht sind. Bilder auf Instagram versuchen mal aufdringlich, mal weniger aufdringlich zu gefallen. Wer pünktlich zum Treppenhausfreitag, wie jede Woche eine hübsche Wendeltreppe postet, hofft auf möglichst viele fliegende Herzen. Und wer ein Foto aus Hamburgs Speicherstadt hochlädt, ist entweder ein Tourist oder ein Instagrammer, der weiß, dass selbst das 87. Foto in Folge aus der Speicherstadt nur immer noch mehr Likes sammelt. Auf Instagram geht es nicht darum, ob ein Foto gut oder schlecht ist. Bilder müssen erfolgreich sein und das sind sie, wenn möglichst viele Daumen wie in Trance zwei Mal klicken und "WOW" in die Kommentare tippen.

Wenn Martin Parr in Interviews gefragt wird, ob er nicht inzwischen, nach 40 Jahren, einen guten Parr reproduzieren könne, antwortet er: Wenn ich wüsste, wie man ein großartiges Foto macht, würde ich aufhören zu fotografieren. Eine Formel, nein, die habe er nicht entwickelt. Ganz anders auf Instagram: Wer ein wenig Zeit investiert, sich durch die Accounts mit den Tausenden von Followern und den Tausenden von Likes klickt, erkennt schnell ein Muster.

Es gibt beispielsweise bestimmte Orte, so genannte Hot Spots, an denen sich leicht like-starke Bilder machen lassen, wie etwa die Skulptur Tiger & Turtle von Ulrich Genth und Heike Mutter im Duisburger Angerpark, die Gehry-Bauten im Düsseldorfer Medienhafen, das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum in Berlin und die Stadtbibliothek in Stuttgart. Ist man an einem dieser Hot Spots, bloß nicht den Fehler begehen und ein Foto machen, das Instagram bisher noch nicht gesehen hat. Das eigene Foto gefällt nur besonders vielen Nutzern, wenn es aussieht wie alle anderen Bilder, die sich auf Instagram von diesem Ort finden.

Außerdem gibt es bestimmte Motive, aus denen Hashtags wurden, die Daumen klicken und Herzen fliegen lassen. Einige dieser Themen sind fast so alt wie die Geschichte der Fotografie. Welche Fotografen würden sich heute wundern, dass ihre Themen auf Instagram Mainstream sind?

Vivian Maier und das #mirrorselfie

Selfie with dinning strangers. #Latergram #selfie #reflection #iphoneonly #strangerselfieproject #selfiewithstrangers

Ein von Stranger Selfie Project (@strangerselfieproject) gepostetes Foto am

 

Lee Friedlander und das #shadowselfie

#outofthephone

Ein von efi (@efi_o) gepostetes Foto am

 

Henri Cartier-Bresson und das #puddlegram

signs of victory #berlin

Ein von Thomas Kakareko (@thomas_k) gepostetes Foto am

 

Philippe Halsman und das #jumpstagram

winter has come

Ein von palomaparrot (@palomaparrot) gepostetes Foto am

 

Thomas Struth und die #artwatchers

 

Elliott Erwitt und die Hunde

 

Martin Parr und #foodporn

#Sunday god 7 #searchgodinthings #braciole #nonny #apulia #TavolediClasseHp

Ein von Piero Percoco (@therainbow_is_underestimated) gepostetes Foto am

 

Stephen Shore und die #Karre

Hot stuff today

Ein von @ryanschude gepostetes Foto am

 

Nan Goldin und die Intimität im Badezimmer

Tbt death in Paris @petrafcollins

Ein von Mayan Toledano (@thisismayan) gepostetes Foto am

 

Heidi Specker und die Fassaden

#urbantree#pankow

Ein von Karsten Knorr | Berlin (@mollorange.berlin) gepostetes Foto am