Wien kann auch schnell. Schon seit Monaten oder Jahren rumort und gärt es rund um die Viennacontemporary, und dann kommt es ganz plötzlich: "Der bisherige Gesellschafter Dmitry Aksenov scheidet aus dem Unternehmen aus und legt auch seine Funktion als Chairman of the Board zurück", heißt es in einer Pressemitteilung der einstmals führenden Wiener Kunstmesse, die ganz früher einmal Viennafair hieß.
Damals gehörte die Messe Reed Expositions (die mit der Fiac), bis sie von einem etwas windigen russischen Investor übernommen wurde, der sie an besagten Aksenov weiterreichte. Der hat viel Geld, Herzblut und (leider) auch persönliches Engagement in die Veranstaltung investiert. Ohne ihn hätte es wahrscheinlich schon lange keine Kunstmesse von internationalem Format mehr in Österreich gegeben. Denn mit ihrem Fokus auf die für viele Kuratoren und Sammler spannende Region Zentral- und Osteuropa (CEE-Länder) konnte Wien zwar ein Alleinstellungsmerkmal vorweisen und Renommee einfahren, aber kaum finanziellen Gewinn. Eigenes Geld wollte in Österreich niemand in die Hand nehmen. Da kam der "russische Oligarch", wie er im Volksmund und von Teilen der österreichischen Presse immer noch gerne genannt wird, gerade recht.
Seitdem hat die nach der Trennung von Reed in Viennacontemporary umbenannte Messe in der heimischen Szene immer nur bestenfalls einen Fuß auf die Erde bekommen. Das Geld des Russen hat man gerne genommen, doch gesehen werden wollte man mit ihm lieber nicht. Zumal Aksenov durch seine Auftritte bei den Eröffnungspressekonferenzen bisweilen mit seinen weitreichenden Visionen für Irritationen sorgte.
Immer weiter Geld nachschießen
Der Wiener Intrigantestadl schoss gerne quer und blockierte so eine Konsolidierung des Wiener Aushängeschildes auf internationalem Niveau. Aksenov musste immer weiter Geld nachschießen, um die Messe attraktiv zu halten. Unter diesen Bedingungen war es praktisch ausgeschlossen, weitere Investoren ins Boot holen zu können. So wurde es mit den Jahren immer klarer, dass Aksenov sich zurücknehmen musste.
Schon im letzten Jahr hatte das Team um Geschäftsführer Markus Huber eine Konstruktion ersonnen, mit der die Viennacontemporary in eine Non-Profit-Organisation überführt werden sollte, um sie auch für Politik und Privatwirtschaft oder Mäzene zu öffnen. Erschwerend kam letztes Jahr hinzu, dass mit der Spark Art Fair ein Wettbewerber gegründet wurde, der vom Vermieter der angestammten Location Marx-Halle und ehemaligen Geschäftsführer der Viennacontemorary Renger van den Heuvel geleitet wird. Und der aus dem Stand erfolgreich war.
Die Viennacontemporary war plötzlich ein nomadisches Format ohne künstlerische Leitung. Dem neuen Kurator Boris Ondreička gelang es zwar, innerhalb weniger Wochen eine Rumpfausgabe auf die Beine zu stellen. Mehr als ein zaghaftes Lebenszeichen war das jedoch nicht.
So ironisch wie ärgerlich
Dieses Jahr sollte dann alles anders, größer und auch besser werden. Dann kam der russische Überfall auf die Ukraine. Und jetzt musste alles sehr schnell gehen. Denn in der aufgeheizten Atmosphäre gilt fast alles, was irgendwie mit Russland assoziiert wird, als toxisch. Aksenov tritt mit sofortiger Wirkung ab, und der Geschäftsführung wird ein beratendes Board zur Seite gestellt, dem neben Boris Marte (Vorsitzender des Universitätsrates der Bildenden Künste, Vorstandsvorsitzender der Erste Stiftung) unter anderem Bernhard Hainz (Sammler, Rechtsanwalt und Mitglied des Universitätsrates der Akademie der bildenden Künste) angehören wird. Letzterer fungierte schon einmal in ähnlicher Funktion für die Messe.
Als Abschiedsgeschenk erhält die neue gemeinnützige Trägerorganisation VC Artfairs noch über einige Jahre jeweils rund eine Viertelmillion Euro vom "russischen Oligarchen". Ansonsten soll keine Verbindung mehr bestehen.
So ironisch wie ärgerlich an der ganzen Angelegenheit: Weder ist Aksenov Oligarch im eigentlichen Sinne, noch wirklich Russe. Aksenov ist Bauunternehmer in Moskau, das wohl auch ziemlich erfolgreich. Doch zum Oligarchen, der in den Seilschaften unter Jelzin oder später Putin preiswert an ehemals staatliche Unternehmen oder Ressourcen gekommen ist, gehört er nicht. Und tatsächlich hat er zwar die russische Staatsbürgerschaft, doch seine Wurzeln sind ukrainisch. Nach Ausbruch des Krieges hat er seine Eltern aus der Ukraine geholt. Und in diesem Zuge auch gleich Yana Barinova, die ehemalige Kulturstadträtin von Kiew, die im erweiterten Messeteam als Chief Business Development Officer fungieren wird. Schwerpunkt der nächsten Ausgabe, die vom 8. bis 11. September mit rund 70 Galerien im Kursalon im Wiener Stadtpark stattfindet, soll übrigens die Ukraine sein.