"Als Kind habe ich in Saudi-Arabien gelebt, mit meiner Familie bin ich immer wieder zwischen Mekka und Alexandria hin- und hergereist. Viele meiner Werke kreisen daher beispielsweise um das Leben in der Wüste", erklärt Wael Shawky im Gespräch. In der Fondazione Merz im Zentrum Turins ließ er nun eigens Sand verteilen, durch den man stapfen muss, um die Filmtrilogie "Al Araba Al Madfuna" zu sehen: Mit aufgeklebten Schnurrbärten und ehrwürdigen Turbanen verkleidet, rezitieren kindliche Hauptdarsteller die Geschichten ihrer Vorfahren. Geradezu hypnotisch wirken die schweren, ernsten Stimmen, die durch die verdunkelten Räume der Fondazione schweben.
Gleich in zwei Turiner Ausstellungen präsentiert der 1971 in Alexandria geborene Shawky in diesem Winter sein Werk. Im Castello di Rivoli lassen die "Cabaret Crusades" die Kreuzzüge wiederaufleben und erzählen sie aus der arabischen Perspektive. Die Puppen, die Wael Shawky für sein vermutlich bekanntestes Werk entwerfen ließ, sind gleichermaßen grotesk wie faszinierend.
Erstmals für Aufsehen sorgten die "Cabaret Crusades" auf der Documenta 13, im vergangenen Jahr wurden sie in Shawkys erster Einzelausstellung im MoMA gezeigt. Eine Wiederholung ist die Turiner Schau dennoch nicht, bei der Präsentation legt der Künstler stets Wert auf eine einzigartige Inszenierung: "Mir ist sehr wichtig, dass jede meiner Ausstellungen etwas Neues enthält; diese hier ist beispielsweise ganz anders als die im MoMA vergangenes Jahr." Wie in der Fondazione ist auch diese Arbeit als Trilogie angelegt. Die Hauptdarsteller sind hier jedoch Marionetten, die Intrigen schmieden, Schlachten schlagen und ihre Köpfe verlieren in einem Kampf, der nie zu gewinnen war. Sie werden zu Spiegelbildern unser Selbst und halten uns die eigenen hässlichen Fratzen vor.
Nicht jede Geschichte wiederholt sich zwangsläufig, das weiß auch Wael Shawky, doch manche sind es wert, weitergegeben zu werden. Shawky hat das beeindruckende Talent, mit nur wenigen Arbeiten eine Ausstellung zu kreieren, in der man gut und gerne mehrere Stunden verbringen kann. Seine Kunst fesselt, ohne auf Entertainment ausgelegt zu sein, und sie lehrt, ohne unangenehm belehrend zu wirken. In einer Zeit, in der die Erinnerungen an bereits gemachte Fehler zu verblassen scheinen und Menschen die zweifelhaftesten Personen zu ihren politischen Führern auserwählen, braucht es eine gnadenlose Kunst, wie die von Wael Shawky, um uns die Lehren der Geschichte und unsere Verantwortung ins Gedächtnis zu rufen.