Wie bildet sich der zündende Gedanke zu einer Ausstellungsidee? Im Fall von Deborah Schamoni markierte der Fund eines Briefes den Beginn der Reihe "MARMORY SHOW", deren dritter Teil jetzt in der Münchner Galerie stattfindet. Eingekeilt zwischen Marmorplatten, soll in den Räumen der Galerie, einer ehemaligen Wohnvilla, ein Brief aus dem Jahr 1912 versteckt gewesen sein, geschrieben von Walt Kuhn, einem der Mitbegründer der legendären New Yorker Armory Show.
Der Brief, so Schamoni, beschreibe geradezu psychedelische Erlebnisse, die Kuhn bei einer okkulten Zeremonie mit Wassily Kandinsky und Marianne von Werefkin geteilt haben soll.
An diese "Naturerfahrungen" knüpft die Reihe "MARMORY SHOW" an und präsentiert ein Ausstellungskonzept, das sich mit den Abgründen der Gesellschaft im Allgemeinen und der Kunstwelt im Speziellen auseinandersetzt. Mit Künstlern wie Anna-Sophie Berger (siehe "Watchlist" in Monopol 5/2016), Nicole Eisenman, Amalia Ulman, Justin Lieberman oder Aileen Murphy, flankiert von einem wunderbar kaputten Text über das Ende der Liebe und vergammelte Biohähnchen von Helene Hegemann, widmet sich die "MARMORY SHOW III: Guilty Pleasures" den verbotenen Gelüsten und sündigen Gedanken, die sich in jedem von uns verstecken.
Besonders sticht dabei eine Arbeit Jana Eulers von 2014 hervor: "Nude climbing up the stair" ist nicht bloß eine ausgesprochen gelungene Hommage auf Duchamps berühmtes "Nu descendant un escalier no. 2", das 1913 die Armory Show in Aufruhr versetzte, Eulers großformatiges Ölgemälde fängt in meisterhafter Ausführung nahezu alle Facetten von Lust und Begierde ein. Die Künstlerin inszeniert
sich dabei selbst als betörender, aber geisterhafter und kaum greifbarer Akt.
Faszinierend ist auch Kerstin Brätschs ebenfalls auffällig großes Werk "Unstable Talismanic Rendering_Pele’s Curse Nr. 17". Auf schwarzem Grund lassen bunte Marmorierungen eine albtraumhafte Fantasiewelt entstehen, in deren abstrakten Formen sich bei genauerem Hinsehen eine unheimliche Spukgestalt entdecken lässt. Gegenüber von Euler und Brätsch füllen die Skulpturen von Davide Stucchi und Kasia Fudakowski den lichtdurchfluteten Raum mit einer düsteren, fast schon erdrückenden Erotik.
Insgesamt überzeugt die von Eva Birkenstock kuratierte Schau durch eine gelungene Mischung und Gegenüberstellung von bereits etablierten mit noch unbekannten Künstlern. Anderes erwartet man jedoch auch nicht von der Galerie Deborah Schamoni, die sich zwar etwas abseits vom Münchner Stadtzentrum zwischen viel Grün versteckt, sich aber dennoch dank herausragender Positionen und
Konzepte immer wieder aus der lokalen Szene hervorheben kann.