Dies sei die Biennale der Postapokalypse, erklärt die geschätzte Kritikerkollegin von Sleek gut gelaunt bei einem abendlichen Empfang: Überall gehe es um Schrecken und Tod. Und der Mensch käme eigentlich nicht mehr vor.
Die Diagnose ist nachvollziehbar: Okwui Enwezors hat die Fassade seines zentralen Pavillon in den Giardini mit schwarz gefärbten Fahnen von Oscar Murillo verhängt, Glenn Ligon löscht an der Fassade die gewohnte Inschrift mit den Neonworten "Blues Blood Bruises" aus, bei den Schweizern löst Pamela Rosenkranz das Humane in einem rosa blubbernden Meer auf, bei den Österreichern räumt Heimo Zobernig gleich alles aus und klotzt einen schwarzen Balken an die Decke – der Mensch hat keinen guten Stand hier.
Aber andererseits: An Menschen mangelt es nicht bei der Preview der Venedig-Biennale. Ja, es war immer voll während der Vorbesichtigungstage. Aber so voll? "OMG ist hier viel los", lautet der Anfang jedes Smalltalks. Schon am Mittwoch bildeten sich Schlangen vor den Pavillons in den Giardini (die Schlangenchefin: Joan Jonas im amerikanischen Pavillon), erste Schulklassen enterten am Donnerstag den zentralen Pavillon (warum?) und durch das Arsenale wälzte sich eine Stampede von plappernden Kunstbetriebsmenschen, die sich erst am späten Nachmittag verlief, um den verschiedenen Spritz- und Champagnereinladungen zuzustreben.
Auch in der Kunst taucht der Mensch dann doch mit Macht wieder auf: Enwezor hat seine Ausstellung mit Performances durchzogen, die Arena für diese Aufführungen ist das klopfende Herz des zentralen Pavillons geworden – vor allem, wenn nicht gerade Marx‘ Kapital gelesen wird sondern der großartige Jason Moran mit zwei Sängerinnen Work Songs interpretiert. Im Arsenale stolpert man ständig in eine Gruppe von Sängern hinein, die sich zischend und tönend durch die Ausstellung bewegen – grob gesagt, singen sie Haydns "Schöpfung" rückwärts, was absurd klingt, sich aber äußerst interessant anhört.
Bei Adrian Piper kann man unterschreiben, dass man fortan immer das meinen werde, was man sagt (was für ein Quatsch). Wie immer bei solchen Events, kommt irgendwann Zweifel auf, was nun Performance ist und was nicht. Die Typen mit dem schwarzen Militäroutfit, die unbeweglich auf dem Weg zwischen Giardini und Arsenale stehen und auf neugierige Fragen der Passanten nicht mit einem Wimperzucken reagieren, sind bestimmt eine Performance, fragt sich nur von wem.
Die Security dagegen, die in Mannschaftsstärke einen alten Herrn mit weißen Zauselhaaren bei seinem Gang durch die Giardini abschirmte, war dagegen echt: Der Besucher war einer der überlebenden Charlie-Hebdo-Karikaturisten. Postapokalypse, ja.