Vor mehr als 50 Jahren, inmitten des Aufstiegs der amerikanischen Konsumgesellschaft, wollte Andy Warhol durch massenproduzierte Siebdrucke Kunst zugänglicher und erschwinglicher machen. Anknüpfend an diese Idee bringt die japanische Textilfirma Uniqlo seit einigen Jahren von Kunst inspirierte Modeprodukte auf den Markt und sponsert freien Eintritt ins Museum. Mit Monopol sprach Uniqlos Kreativchef John C Jay über das Engagement der weltumspannenden Modekette in der Kunstwelt und erklärt, warum Kunst und Mode voneinander profitieren können
Herr Jay, was bringt Sie zur Kunst?
John C Jay: Tadashi Yanai, Gründer und Chairman von Uniqlo, ist aufrichtig an Kunst interessiert. Auch wenn er nach außen immer die Rolle eines stereotypen japanischen Geschäftsmanns spielt und diese persönliche Seite nicht oft zeigt. Kürzlich bei einer Tagung habe ich ungefragt vor 5000 Leuten verraten, welches Kunstwerk er zuletzt für seine Sammlung erworben hat. Mein Punkt dabei war: Unser Chairman und Gründer interessiert sich für Banksy, Edward Hopper, Elliott Erwitt und all diese Künstler, und ich fand es wichtig, darauf hinzuweisen. Ich war immer der Meinung, dass uns Kreativität im Blut liegt. Viele meiner Kollegen würden aber vermutlich sagen: "Hier ist es nicht so kreativ, wie es eigentlich sein sollte." Deswegen habe ich Herrn Yanai als Beispiel genommen. Sein aufrichtiges Interesse für die Kunst zeigt, dass Kreativität in unserem Unternehmen sehr wohl eine Rolle spielt. Der zweite Punkt ist: Was machen Künstler eigentlich? Sie sehen die Welt auf eine Art, wie wir sie nicht sehen können. Sie denken anders als wir. Das ist es, was uns interessiert.
Die Kollektion SPRZ NY, die zusammen mit dem MoMA entstanden ist, bringt von Kunst inspirierte Modeprodukte auf den Markt. Arbeiten von Künstlern aus der Sammlung des Museums werden auf T-Shirts, Taschen, Socken, Shorts und Jacken gedruckt. Welche Idee steckt dahinter?
Künstler wie Warhol, Haring oder Basquiat helfen natürlich dabei, unsere Produkte zu verkaufen, weil die Motive so interessant sind. Selbst wenn jemand nichts über die Künstler weiß, kauft er ein T-Shirt vielleicht aus modischen Gründen. Für uns ist dabei auch der pädagogische Aspekt wichtig, wir möchten gerade jungen Leuten etwas über den Hintergrund der Kunst erzählen: Unter welchen sozialen Bedingungen lebte und arbeitete Basquiat? Wie war das New York der 90er-Jahre? Welchen Einfluss hatte die politische Lage auf die Kunst? Wie war es, während der Aids-Krise zu leben und wie stand es um die Rechte Homosexueller? Es ist wichtig, den Kontext zu verstehen, in dem diese Kunstwerke entstanden sind.
Gibt es weitere kunstbezogene Projekte?
Uniqlos Kunstbeziehungen finden auf vielen Ebenen statt. Seit 2013 ermöglicht Uniqlo Besuchern jeden Freitag Abend freien Eintritt ins MoMA. Dann bringen wir zusammen mit dem Galeristen und Museumsdirektor Jeffrey Deitch Künstlereditionen heraus. Jeffrey hat mir die Künstler Gilbert & George nahe gebracht und ihre Idee "Art for all". Ende der 70er, Anfang der 80er-Jahre fanden in New York eine Reihe von Underground-Ausstellungen statt, die den Anfang einer Bewegung markierten, die Kunst demokratisieren wollte. Nachdem wir Uniqlo in New York eröffnet haben, hat Deitch viele Künstler dieser Bewegung in die Läden gebracht. Wir haben Vorträge und Workshops mit Siebdruck-Künstlers organisiert. Natürlich stehen wir auch mit der Tate in London in enger Verbindung. Und kürzlich waren wir einer der Hauptsponsoren einer großen Retrospektive von Kaws im Yuz Museum in Shanghai.
Wie können eine Institution wie das MoMA und eine Modekette voneinander profitieren?
Wir suchen die Beziehung zu großen Kunstinstitutionen, weil diese die Kontakte zur lokalen Gemeinde haben. Wir können keine globale Marke sein, wenn wir uns nicht zuerst in der lokalen Nachbarschaft beweisen können. Also fragen wir uns, wie wir etwas beitragen können zur Gesellschaft. Indem wir freien Eintritt ins Museum möglich machen, den Leuten Produkte, Lesungen und Workshops zur Verfügung stellen oder große Kunstausstellungen unterstützen. Marketingstrategisch mag das so klingen, als ob wir uns nur mit großen Institutionen verbünden wollen, aber das stimmt nicht. Wir arbeiten mit vielen lokalen und jungen unbekannten Künstlern, beispielsweise in Singapur. Lange vor unserer Kooperation mit dem MoMA haben wir einen weltweiten T-Shirt-Wettbewerb organisiert, bei dem Künstler Motive einreichen konnten. Die Gewinnermotive wurden dann auf eins unserer T-Shirts gedruckt. Das war vor mehr als zehn Jahren.
Museen werden einmal Kaufhäuser sein und Kaufhäuser Museen, prophezeite Andy Warhol einst ...
Es ist lustig, dass Sie auf Warhols Zitat zu sprechen kommen. Ich war mal Kreativdirektor bei Bloomingdales, als es noch seine Blütezeit hatte und in New York kulturell von Bedeutung war. Junge Leute können sich das heute schwer vorstellen, dass ein Kaufhaus so viel Einfluss hatte. Warhol sagte einmal, Bloomingdales sei das Museum der 80er-Jahre. Das war für uns ein großes Kompliment. Viele Künstler sind heutzutage fähig, zweigleisig zu fahren, einerseits kommerziell zu arbeiten und andererseits trotzdem wirklich Kunst zu machen. Produkte wie Autos, Spielzeug, T-Shirts finden heute ihren Weg in die besten Museen der Welt und andererseits gibt es Kunst in Kaufhäusern zu erschwinglichen Preisen. Man könnte argumentieren, dass Warhol dabei geholfen hat, dieses Phänomen zu kreieren, oder Duchamp vor ihm, aber im Grunde zeigt das nur, wie das Verständnis von Kunst sich über die Jahre verändert hat.
Seit 2017 ist Uniqlo auch Partner des Kunstmuseum Stuttgart. Welche Kooperationen sind für die Zukunft geplant?
Sie wissen ja selbst, wie wichtig Berlin für die Kunstwelt ist. Mein Bestreben und das von Uniqlo ist es, dorthin zu gehen, wo etwas passiert, wo Innovation ist. Berlin ist so ein Ort, die Stadt zählt derzeit zu den bedeutendsten Zentren für zeitgenössische Kunst. Und auch wenn noch nichts konkret ist, können Sie sicher sein, dass ich mich bald in der Stadt umsehen werde.