Dunkel ist es im Sahurê-Saal, diffus das Licht, das von hoch oben in den Raum hinab strömt. Wie Urwaldriesen strecken sich die Säulen des alten ägyptischen Tempels Richtung Decke, dazwischen hölzerne Orgelbäume, aus denen dicke Schläuche quellen. Pferdeschnauben dringt von irgendwo her, dann ein metallisches Klopfen, unterlegt von einem tiefdunklen Pfeifen. Und schließlich die Stimme eines Mannes aus einem Fernseher in der Ecke: "Der Wald ertönt von tausendstimmigem Leben, Tal aus, Tal ein ist Nebelstreif ergossen." Wer traut sich, in der Dämmerung in den Wald zu gehen?
In der Berliner Sammlung Scharf-Gerstenberg in Charlottenburg wird derzeit eine Rauminstallation gezeigt, die eigentlich mal ein improvisiertes Happening war – "Organism Response" heißt sie. Zwei Fernseher und eine große Leinwand bespielt David Olbrich parallel mit den Szenen aus einer alten Reithalle in Grunewald. Schaubühnen-Ensemble-Mitglied Felix Römer spielte auf den hölzernen Pfeifen einer Bassorgel, während berittene Polizistinnen ihn umkreisten. Olbrich filmte den Schauspieler, wie der auf einer riesigen gelben Fernbedienung herumdrückt und den mechanischen Pfeifen tiefe Töne entlockt. Gleich einem Medium horcht er dabei in sich hinein, lächelt entrückt, streichelt die rot-schwarzen Schläuche, die Luft durch die Pfeifen pumpen. Pferde galoppieren vorwärts, rückwärts, Nüstern blähen sich, Mäuler kauen. „Das Schlüpfen einer Biene“ soll zu hören sein.
Der Sahurê-Saal wurde bis vor Kurzem noch dazu genutzt, surrealistische Film-Klassiker von Luis Buñuel und Salvador Dalí zu zeigen. Und auch Olbrichs Installation mutet surreal an: Klänge, Tierisches und der antike Tempel verschmelzen zu einem Raum, der Zeit außer Kraft setzt. Die riesigen Orgelpfeifen, auf denen auf den Leinwänden noch gespielt wird, stehen in einer Ecke wie Relikte aus vergangenen Zeiten. Eine beinahe albtraumhafte Erfahrung ermöglichen die vielen Reize, die auf die Betrachtenden einwirken.
Die Gegenüberstellung von "Mechanik und Organik" ist ein wiederkehrendes Thema in David Olbrichs Arbeiten, der 2012 sein Diplom "Lost in Forms" in den Uferstudios aufführte. Seine Werke schaffen Räume, die „über der Realität“ zu schweben scheinen. Ein surrealistisches Moment wird generiert, das "Organism Response" im Umkehrschluss in der Sammlung Scharf-Gerstenberg verortet. "So ein Glück – es ist einzuordnen!" möchte man da fast ironisch rufen, so gut passt die Arbeit hier herein. Auch wenn Römer mit seinen Faust-Zitaten noch ein bisschen den Tod heraufbeschwört – "Sie dürfen früh des ewigen Lichts genießen, das später sich zu uns hernieder wendet" – verirrt sich hier doch niemand im Wald.