Wir sind in der Kunsthalle Basel und gleichzeitig im Haus einer Frau, die der Künstlerin Toyin Ojih Odutola viel bedeutete: ihre Großmutter. Oriaku hieß sie, und der Titel der Ausstellung, "Ilé Oriaku", bedeutet Oriakus Haus. Doch es ist kein einfaches Wohnhaus, das Odutola ihrer kürzlich verstorbenen Großmutter in Basel symbolisch eingerichtet hat. Es ist ein so genanntes Mbari-Haus, ein heiliger Ort, das in der Tradition der nigerianischen Igbo zu Ehren von Göttinnen und Göttern errichtet werden, die Menschen vor Unglück bewahren.
Von diesen Bezügen liest man im Begleittext, folkloristisch ausgestattet wird hier aber nichts. Odutola hat nur die Umrisse des imaginären Hauses mit einem abstrakten Raster von Linien an den Wänden im White Cute angedeutet, auf denen ihre eindrücklichen figurativen Malereien sitzen. In der Intensität der Figuren vermeint man aber die Spiritualität zu spüren, die Odutola durch die Verknüpfung mit ihrer Familiengeschichte in den Ausstellungsraum einlädt.
Toyin Ojih Odutola, 1985 in Nigeria geboren, zog als Kind mit ihrer Familie nach Alabama, heute lebt sie in New York. Bekannt wurde sie durch ihre narrative Arbeitsweise, Serien von Zeichnungen, die teilweise mit Kugelschreiber erstellt wurden und komplexe Geschichten erzählen. Angesichts der vielen großformatigen Bilder wähnt man sich in Basel in einer kraftvollen Malerei-Ausstellung, doch auch hier hat man Zeichnungen vor sich, mit Pastellkreide, Grafit oder Kohle, Techniken, die Odutola wirklich meisterhaft beherrscht.
Zeitgenössische, urbanen Perspektive
Jedes Bild hier ist auf die eine oder andere Weise narrativ aufgeladen, zeigt Menschen bei Ritualen, maskiert, beim Tanz, bei der Begegnung mit ihrem früheren oder zukünftigen Selbst – alle Personen könnten Zeitreisende sein. Die Räume, die sie wie im Traum durchschreiten, sind als halb abstrakte Architekturen grafisch ausgearbeitet, immer sind die Figuren eingebettet in eine bildnerische Gesamtkonzeption, die an futuristische Rasanz anknüpft, raffinierte Spiegelungen und Raster einsetzt.
Mit dieser ästhetischen Brillanz im Rücken erzählt die Schau, in verschiedene Kapitel unterteilt, vom Tod der Großmutter, von Trauer, Selbstfindung, Suche nach den Wurzeln. Doch rückwärtsgewandt wirkt sie nie. Odutola beschwört zwar die Geister ihrer Vorfahren hinauf, aber sie spricht und malt von einer sehr zeitgenössischen, sehr urbanen Perspektive aus – die Protagonisten ihrer Bilder im letzten Kapitel, das der Feier nach der Trauer gewidmet ist, scheinen direkt unterwegs in einen New Yorker Club. Im Hintergrund hört man in einer Soundinstallation die Stimme der Großmutter und die Vögel aus Odutolas Kindheitslandschaft Alabama. Abschied wird zu Aufbruch, Verlust wird zu Kunst.