Gelegentlich gerät man in eine Ausstellung, die in ihrer ganzen Beiläufigkeit, mit der sie auftritt, von einer ungeahnten Qualität ist. Das merkt man an ihrem nachhaltigen Eindruck, den sie hinterlässt. Erstaunlich ist das dann, wie etwa bei "Private Monuments" in der Galerie Sperling in München, wenn die Ausstellung sich auf ebenso beiläufige Objekte konzentriert, die in den Bereich nichtmaterieller Kunst hinüberspielen.
Fein geordnete Ensembles von Pflastersteinen bilden unterschiedlich formatierte Inseln, die jeweils eine Lücke füllen, die es nicht gibt - zumindest nicht dort, wo sich diese Inseln befinden. Sie sind Auskopplungen aus dem performativen Projekt "Kunsthalle3000", das Thomas Geiger 2016 in Johannesburg gemacht hat. Auf einem großen, mit Steinen gepflasterten Platz hat er dort die "Kunsthalle3000" errichtet, an Stellen, an der er eine Aussparung der Pflasterung vorgefunden hat. In Erweiterung dieser Lücke, "no bricks", hat er diese immaterielle Kunsthalle dort gebaut - "no roof, no walls, no white, no office, no staff, no light". Mit dieser nicht ironiefreien Reduzierung aufs Materielle und unter ihrer Auslassung kann er die "Kunsthalle3000" überall auf der Welt installieren - demnächst: Beirut 2017. Der Kunstraum selbst verflüchtigt sich ins Allgemeine, ins Immaterielle. Das einzige Bild an der Wand in der Galerie ist die Visitenkarte der "Kunsthalle3000", darauf, ein Loch im Belag eines Platzes.
In der Ausstellung "Private Monuments" werden diese Lücken in Johannesburg durch eine Umkehrung zu einer Vielzahl von Bühnen transformiert. Was dort fehlt, wird hier wieder aufgebaut. Ergänzungen am falschen Ort, in gewisser Weise könnte man von Unorten, Atopien sprechen. Ihre Signifikanz bekommen sie durch Zuordnung als Handlungsräume. Der Galeriebesucher erhält spezifische Aktionsmöglichkeiten, szenische Anweisungen oder Identitätsangebote - "A stage for a subtle escape", "A stage for an emperor" oder "A stage on which to empty your pocket" etc.. Die Pflastersteinmodule sind minimale Performationseinheiten und bilden nurmehr die Szenerie des latenten Brechungsmomentes der Kunst. Als Kunstwerke für sich lassen sie sich definieren, legt man die deleuzesche Sentenz zu Grunde, wonach Kunst weder Kommunikation, noch Information, sondern Widerstand sei. In diesem Sinne vermitteln die Pflastersteine selbst ein geradezu polemisches Bild.
"Private Monuments" eröffnet, zumindest in seinem Titel, auf den ersten Blick eine widersprüchliche Ausgangssituation. Er ließe sich natürlich so verstehen, dass Geiger hier Öffentlichkeitsorte für das Private entstehen läßt, in der Form, dass ephemere Erinnerungsräume, transitorische Denkmäler entstehen. Durch Betreten der Bühnen werden die nebensächlichen Dokumente subjektiver Identität kurzfristig zu Monumenten verwandelt. Die Erhöhung ist eine geringe, bekommt aber in der unspektakulären Vertauschung von Betrachter zu Akteur, eine soziale Dynamik. Insofern bleibt vom Künstler wenig mehr als eine Rezeptur, die Autorenschaft tritt weit in den Hintergrund. Und, das ist das Bestechende an Geiger, es bedarf seiner nicht unbedingt als Label.
Letztlich speist sich kollektive Erinnerung aus einer Vielzahl belangloser Einzelheiten, die sich zu einem Ganzen zusammensetzen. Sicher, das Ganze ist meist mehr als die Summe seiner Teile. Dass es dabei Verbindungen zu den Teilen gibt und unter welchen Bedingungen dieses Mehr sich entwickeln kann und worin sich Identitätsbeziehung finden lassen, ist eine komplexe Sache. Beiläufigkeiten wie "Private Monuments" können da ganz wunderbare Transparenzen schaffen, zu einer Art immanenter Beschreibung des Monumentes beitragen. Da es nicht der Kunstkontext ist, der die Signifikanz steuert - das tut er vielleicht als äußere Klammer -, wird die Latenz des Immateriellen zum Katalysator der Schönheit dieser Objekte.