Das Tech-Jahr 2024

Mehr Fragen als Antworten

Ein Mitarbeiter steht in einem Smart-Home-Raum des Berliner Kommunikationsunternehmen AVM auf dem Ausstellungsstand der Internationalen Funkausstellung IFA
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Ein Mitarbeiter steht in einem Smart-Home-Raum des Berliner Kommunikationsunternehmen AVM auf dem Ausstellungsstand der Internationalen Funkausstellung IFA

Wo stehen wir bei Social Media, Virtual Reality, Smart Home und KI? Ein Jahresrückblick auf die Tech-Trends und -Flops 2024

Social Media

Ist ein Leben ohne Social Media überhaupt möglich, fragen sich viele. Zu mächtig ist der Einfluss von Meta, Google und Bytedance im Alltag der allermeisten geworden. Seit Elon Musk im Markt mitmischt, gab es auf X den gefühlt zwölften Massenexodus vom früheren Twitter. Aber wohin? Mastodon, Bluesky, Threads – die Liste der Alternativen ist lang. Aber die eigentliche Erkenntnis ist, dass es auch ohne Twitter und all der Bedeutung, die der Kurznachrichtendienst einst mal hatte, trotzdem weitergeht. Dass X derweil immer mehr zum Biotop rechter und extremistischer Inhalte wird, liegt unter anderem auch einfach daran, dass Trump, MAGA, Meloni und AfD mehr oder weniger der neue Mainstream geworden sind. Auch damit muss man sich arrangieren und eine Handhabe entwickeln.

Apropos AfD, die vermochte zur Europawahl auf TikTok ziemlich gut zu performen. Spitzenkandidat Maximilian Krah wurde zum ersten bundesweit bekannten Politik-Influencer auf der Teenie-affinen Plattform. Viele versuchten es nachzumachen. Zumeist ohne durchschlagenden Erfolg. Krah stolperte letztlich über seinen Mitarbeiter Jian G., der der Spionage für den chinesischen Geheimdienst beschuldigt wurde. Es hat sich gezeigt, dass die Algorithmen des chinesischen Unternehmens bei propagandistischen und radikalisierenden Inhalten die Schleusen nicht ganz so eng machen, wie es sich andere wünschen würden. Das Material läuft einfach zu gut. Bei regimekritischem Content auf der chinesischen Variante Douyin klappt das mit der Steuerung und Filterung, einige nennen das Zensur, wesentlich besser.

Die Krankenkasse DAK führte mit der Forsa eine Umfrage nach guten Vorsätzen für das kommende Jahr aus. Rund 40 Prozent der Befragten wollen 2025 weniger Zeit am Smartphone und Computer verbringen. Bei den 14- bis 29-Jährigen wollen sogar 52 Prozent seltener mit dem Handy rummachen. Also stimmt es doch: Smartphones sind das neue Rauchen. Das sieht man auch an den Jugendschutzmaßnahmen, die nun weltweit ergriffen werden. Australien veranlasste ein Social-Media-Verbot für Kinder unter 16. Albanien sperrt TikTok für das ganze Jahr 2025, weil sich über die Plattform Jugendliche erst anpampten und dann zu tödlichen Messerstechereien verabredet hatten. Die USA möchte das US-amerikanische TikTok vom Mutterkonzern abspalten. Es bleibt Druck auf den Unternehmen. Vielleicht ist eine Marktsättigung erreicht. Das käme auch der Umwelt zugute. Allein TikTok soll nämlich einen größeren CO2-Fußabdruck haben als Griechenland.

Virtual Reality

Wurde auch dieses Jahr mal wieder nichts. Als Apple das eigene VR-System Vision Pro vorstellte und auf den Markt brachte, war die Begeisterung für die gut umgesetzte Technologie groß, kaufen wollten das aber, wie zuletzt oft, die wenigsten. Preise ab 4.000 Euro sind definitiv ein Grund, die selbst Early Adopter abschrecken. Mittlerweile muss man sich allerdigns schon fragen, wieso VR es so schwer hat, sich auf dem Markt der Consumer Electronics zu etablieren.

Langsam stellt man fest: Es ist doch der Helm und die Scham, die Menschen empfinden, wenn sie eine isolierte Welt betreten und andere dabei möglicherweise auch noch belustigen. Einfach mal "VR-Fails" bei YouTube eingeben, ist nicht ganz ungefährlich. Daher gehen Experten davon aus, dass sich eher alltagstaugliche Brillen wie die Ray-Ban-Meta durchsetzen werden – wenn überhaupt.

Ich persönlich finde diese Spionage-Brillen äußerst grenzwertig. Ob man nun in der Öffentlichkeit gefilmt wird, ist mit diesen Geräten so gut wie gar nicht mehr auszumachen. In der Gala der großen Highlights ist auch diesmal VR nur Edelreservist auf der Bank. Noch sollte man das Thema nicht aufgeben. Der Wedding ist schließlich auch irgendwann gekommen. 

Smart Home

Im Sommer tauschte ich mit einer alten Bekannten Wohnungen. Wir nach Kopenhagen und ihre Familie nach Berlin für eine Woche. In Kopenhagen briet ich eines Abends Speck für eine Carbonara. Plötzlich geht der Rauchmelder mit höllischen Piepsen los. Vor Schreck brennt mir beinahe der Speck an. Intuitiv steige ich auf einen Stuhl drücke einen Knopf an dem Melder, woraufhin erstmal Ruhe ist. Natürlich war der Melder smart und kurz darauf ruft mich die Wohnungsbesitzerin an, ob wir noch am Leben und sonst alles in Ordnung sei. Bei ihr war der Schrecken offenbar noch viel größer, als ihr Handy ihr mitteilte, dass es möglicherweise in ihrer Wohnung brennen könnte. Ich fragte mich allerdings: Was, wenn es wirklich gebrannt hätte und wir nicht da gewesen – ob dieser smarte Feuermelder einen Unterschied gemacht hätte. Wie erreiche ich die dänische Feuerwehr aus dem deutschem Funknetz? Geht das überhaupt? Ich hab mich nicht getraut, das auszuprobieren. 

KI

Künstliche Intelligenz (KI) ist – ein bisschen war davon auszugehen – zum Reichenproblem geworden. Sie hat eine irre schlechte Klimabilanz. Dabei ist sie vor allem in Sprachen von Wohlstandsnationen (und den relevanten Märkten) trainiert und programmiert. Man merkt hier schon qualitative Unterschiede zwischen Deutsch und Englisch, aber umso "unbedeutender" eine Sprache ist, desto nutzloser werden deren KIs. Gibt ja schlichtweg kein Geld zu holen.

Jede Woche will eine neue App uns das Leben dank KI einfacher und bequemer machen. Gedichte zum Valentinstag schreiben, Weihnachtskarten basteln, das Finanzportfolio und die Arzttermine managen. Vor wenigen Jahren erzählten noch die CEOs von Open AI und Meta, wie man mit KI die Welt verbessern könne. Eben die Welt vorm Klimakollaps zu bewahren, war eines vieler hohler Versprechen. In den Medien habe ich dieses Jahr wenig gehört von Projekten wie "KI versorgt 2.000 Dörfer in Äthiopien mit fließendem Wasser", "KI beschleunigt Restitutionsprozesse" oder "KI macht Schulbildung für alle verfügbar". Vielmehr verstärken der Markt und die großen Player der KI-Welt koloniale Machtverhältnisse, oder anders, die Karten werden neu gemischt und aufgeteilt. Europa spielt in diesem Game keine bedeutende Rolle.