Klara Hobza, Sie haben eine etappenweise Durchquerung des europäischen Kontinents auf dem Wasserweg vor. Im Tauchgang. Wie soll das gehen?
Ich steige in Rotterdam ein, wo der Rhein in die Nordsee mündet, durchtauche den Rhein flussaufwärts bis zum Main, dann in den Main-Donau-Kanal bis zur Donau. Flussabwärts geht es dann durch die verschiedenen Länder in Osteuropa bis ins Schwarze Meer. Angelegt habe ich das Vorhaben auf etwa 25 bis 30 Jahre. Letzten März ging es los und ich bin die ersten fünf Etappen getaucht. Im Frühjahr geht es weiter.
Ist Tauchen Kunst?
Es gab eigentlich von Anfang an zwei Parallelwelten: Die Darstellung des Vorhabens und das Tauchen selbst, was natürlich keine Kunst ist. Das hab ich in einer Tauchschule gelernt und trainiert. Aus dem Künstlerkontext heraus wurde ich mal zu einer Residency in Bad Tölz eingeladen, in Süddeutschland. Da gibt es ein Erlebnisbad, das heißt "Alpamare", was eigentlich schon wie Science Fiction wirkt, fast schon apokalyptisch. Das sind nachgestellte europäische Landschaften mit Rutschen und Wellen. Und dann dachte ich mir, das ist ganz gut, um dort ein Trainingsvideo zu machen. Die Rutschen als reißende Bäche. Ich habe dann in dem ganzen Gelände ein Trainingsvideo aufgenommen, natürlich stilisiert für die Darstellung oder das Geschichtenerzählen.
Warum begeben Sie sich tatsächlich auf die Reise?
Wenn man ein solches Vorhaben verwirklicht, überrascht einen die Realität mit Situationen und Begegnungen, die man sich in der Phantasie gar nicht vorstellen könnte. Man bekommt einzigartiges Material geliefert. Bereits in der Trainings- und Vorbereitungsphase ergaben sich viele Anlässe und Begegnungen, die ich zu Kunst verarbeiten konnte. Auch in der Zukunft sollen die Erlebnisse verarbeitet werden. Meine Arbeiten besitzen Humor. Es ist so, dass ich schon über mich selber lachen kann, aber in dem Moment nehme ich meine Aufgabe sehr ernst. Von Ironie als Stilmittel halte ich nicht sehr viel. Ich finde es besser, wenn man sich mit voller Inbrunst hineinwirft und dann sieht das Publikum einen schon auf das Malheur zulaufen. Am Ende aber triumphiert man dann doch gegen alle Erwartungen, am meisten entgegen seiner eigenen.
Wie kam es zu diesem Projekt?
Es ist meine Art, Europa neu begreifen zu lernen. Ich habe eine ganze Weile in Amerika gelebt und bin erst vor drei Jahren als Erwachsene zurückgekehrt und musste mich erst mal wieder in den Kontext einfinden. Eines Tages saß ich im Zug von Berlin nach Pilsen gefahren, um meine Großeltern zu besuchen. Es gibt einen Fluss auf der Strecke und ich habe mich gefragt, wie es da wohl unten aussieht. Es wäre doch interessant, Tauchen zu lernen und die Flüsse zu erkunden. Dann habe ich diese Wasserstraßen-Verbindung gefunden: Man kann wirklich eine ganze Linie von der Nordsee ins Schwarze Meer ziehen. Das hat etwas von einem Holzschnitt, wie sich die Linie durchgräbt. Diese kanalisierten, gelenkten Flüsse in Europa und was um die Flüsse herum an Geschichte, Legenden und Kriegen sich ergeben hat, besitzt ein unglaubliches Potenzial an Material. Diese Dichte zeichnet für mich Europa am meisten aus.
Was kann man im Künstlerhaus Bremen jetzt von Ihnen sehen?
Drei Videos zeigen die ersten Etappen der Durchtauchung. Dann eine große Wandzeichnung mit dem Plan, wie ich ihn vor drei Jahren beschlossen habe. Daneben ein Seilbahnbild aus dem Training und gegenüber das Trainingsprogramm: eine große Zeichnung, die auf einem Ständer übergeschlagen ist mit einem Taucheranzug. Das sieht ein bisschen aus wie zum Abtropfen hingehängt. Dann gibt es das Trainingsvideo, das ich mit Namik Ekin gemacht habe, ein ehemaliger Militärtaucher und Halter von 13 Weltrekorden. Ich nenne ihn auch meinen "Jedi-Master". Er ist der einzige, der das Vorhaben für machbar hält.
Ach, was!
Nein – fast! Ich habe bei einem Film-Seminar von Werner Herzog in Los Angeles mitgemacht, mein großes künstlerisches Vorbild. Er hält meinen Plan auch für realisierbar. Während dieser Begegnung hab ich viele junge Filmemacher kennengelernt und sie eine Petition unterschreiben lassen, die ich immer im Taucheranzug dabei habe, für den Fall, dass ich verhaftet werde. Diese Petition ist ein humanistischer Appell und betont, dass es um höhrer Werte geht. Ja, theoretisch mag es mein Tauchen Grenzen und Gesetze verletzen, aber die Menschheit wird davon profitieren, wenn man mich das machen lässt. Bis jetzt wurde ich noch nicht festgenommen. Es kann weitergehen.
Update. 3. November 2015: Neue künstlerische Verarbeitungen ihrer bisherigen Erfahrungen zeigt Klara Hobza in der Ausstellung "Ich halte das Rheingold für eine gute Investition", Soy Capitán, Berlin, 7. November bis 19. Dezember, Eröffnung am Samstag, 7. November, 18 Uhr