Drei Putzkräfte kämpfen sich durch ein Meer aus Hunderten von Pappschildern, darauf zu lesen sind Worte wie "die here", "immigrant on sale" oder "impotent terror". Die Frauen heften ein Schild nach dem anderen an eine Wand, dazu lachen sie hysterisch, bis sie vor Erschöpfung auf die Knie sinken. Die sechsstündige Performance "Laughing Hole" der in Madrid geborenen Choreografin, Darstellerin und Künstlerin La Ribot entstand als Reaktion auf das umstrittene Gefangenenlager Guantánamo und wurde 2006 auf der "Unlimited"-Sektion der Art Basel uraufgeführt. Jetzt ist die bitterböse Persiflage auf Menschenrechte und Folter beim Berliner Festival Tanz im August im Rahmen einer Retrospektive von La Ribots Arbeiten zu sehen und hat angesichts aktueller politischer und gesellschaftlicher Krisen nicht an Wirkung verloren.
Wo stehen wir im Jahr 2017? Auffällig viele Künstler des Festivals werfen in ihren Arbeiten einen Blick zurück in die 60er- und 70er- Jahre, um Antworten für die Gegenwart zu finden. Für ihr neues Stück "Women", dessen Uraufführung als Live-Performance in Karl Friedrich Schinkels St.-Elisabeth-Kirche stattfindet, ließ sich die Berliner Choreografin Sasha Waltz von Judy Chicagos ikonischem Kunstwerk "The Dinner Party" (1979) inspirieren und arbeitete mit einem Ensemble, das ausschließlich aus Frauen besteht. Gender-Thematiken, Sexualität und Identity Politics sind zentrale Themen des diesjährigen Festivals, verhandelt werden sie zwischen den Gattungen.
Choreografie-Größen wie der Brite Michael Clark, der mit "to a simple, rock 'n' roll … song" den Hut vor Musiklegenden wie Patti Smith und David Bowie zieht, sind genauso vertreten wie Akteure aus der Kunstwelt. Die Documenta-Teilnehmerin Alexandra Bachzetsis bringt in ihrer Solo-Performance "Private: Wear a mask when you talk to me" Bewegungen aus Yoga, Pornofilmen und Fußball mit dem Tanzstil der US-amerikanischen Choreografin Trisha Brown aus den 60er-Jahren oder dem Werk der 1937 geborenen Fotografin Marianne Wex zusammen. Bachzetsis versteht moderne Kommunikationssysteme wie Massenmedien und Internet als Ursprungsorte des zeitgenössischen Tanzes und erkundet so ganz gegenwärtig den schmalen Grat zwischen Codes und Körper, Ordnung und Improvisation.