Richard Long in Kleve

Tagebuch eines Landstreichers

Wenn er die wenigen Lithographien und Siebdrucke, die in den vergangenen 45 Jahren entstanden sind, nicht in der Londoner U-Bahn verteilt, um gestressten Großstädtern seine Streifzüge durch abgelegene Regionen der Antarktis oder der französischen Atlantikküste schmackhaft zu machen, deponiert Richard Long sie bei einem Sammler seines Vertrauens. Der Niederländer Gerard Vermeulen besitzt allein 46 von insgesamt 55 Druckarbeiten. Sie sind jetzt zum ersten Mal vollständig im Klever Museum Kurhaus zu sehen.

   
Das Haus richtet dem drahtigen Land-Art-Pionier nach 1999 und 2001 bereits zum dritten Mal eine Schau aus. Wie eng das Verhältnis inzwischen geworden ist, lässt sich an dem Extra-Geschenk ablesen, eine kurz vor der Eröffnung angebrachte Wandarbeit aus Schlamm. Der passionierte Landstreicher hat die dunkle Brühe am Flussufer gesammelt und sie eigenhändig zum schwarz-braunen Museumsweiser geformt.

Das bis zur Fußleiste tropfende „Rhine Mud Labyrinth“ hat sich nicht zufällig an der Stelle niedergelassen. In der Vorgängerschau stammte das hier abgelegte Treibgut ebenfalls aus dem Rhein. Der archaisch anmutende Irrgang entgeht dank der Musealisierung der Gefräßigkeit der Landschaft, dem eigentlichen Aktionsraum des Briten. Anders als die vom ihm wie zufällig im Kreis dahin geworfenen Steine oder die Schrittspuren im Gras.    

Gewöhnlich verschwinden diese Beweisstücke seiner Wanderbewegungen im botanischen Nirwana wechselnder Jahreszeiten. Es sei denn, Long greift zur Kamera und bannt sie auf Fotopapier. Neben dieser häufig verwendeten Dokumentationstechnik spielen die Grafiken fast eine Nebenrolle, wäre da nicht der Vorteil einer sinnlich nachvollziehbaren Entschleunigung.                   

Die Prints von Steinen, Felsausschnitten oder die an Stempel erinnernden Handabdrücke geben sich auf den zwei Etagen angenehm diskret. Geordnet nach Werkgruppen, erfreuen sich ihre schemenhaften Umrisse mitunter einer pulsierenden Aura, wenn etwa rote Farbe ins Spiel kommt. Ein Blatt aus Japan zeichnet in japanischer Schriftsprache den Weg nach und verwandelt sich in ein imaginäres Tagebuch. Wasserflecken erzählen von manch einem Missgeschick, begleitet von Texten, die sich der Besonderheiten der durchschrittenen Natur annehmen. Ein Muss für alle Anhänger des rekonstruierenden Betrachters. Die Anderen sollten lieber walken gehen und vielleicht zur einen oder anderen plastischen Hinterlassenschaft pilgern.

„Richard Long - Prints 1970-2013“, Museum Kurhaus Kleve, bis 30. Juni 2013