Dieses Gefühl, wenn einem die Stadt scheinbar ganz allein gehört, kann ein erhebendes sein. Morgens aus dem Club zu stolpern, bevor der Rest der Menschen aus dem Bett auf die Straßen geeilt kommt, ist manchmal genauso schön, wie die Tanznacht selbst. Oder war? Durch die Coronakrise ist das Nachtleben abrupt zum Erliegen gekommen, und verschwitzte Körper, die sich auf einer Tanzfläche eng aneinander reiben, kann man sich auf absehbare Zeit nicht vorstellen. Die härteste Tür Berlins ist derzeit die von Edeka, Schlangen bilden sich brav mit Sicherheitsabstand und meistens ohne Bierflasche in der Hand.
Auch für den Fotografen und legendären Berghain-Türsteher Sven Marquardt war der Corona-Shutdown eine "berufliche Vollbremsung". Die Berliner Clubs lassen nun gar keinen mehr rein, und der größte Teil seiner fotografischen Arbeit lag im Ausland, das gerade unerreichbar ist. Nun hat Marquardt zusammen mit Hardy Paetke und Jonas Meyer das Video "Isolation" gedreht, das ihn beim Spazieren durch die leeren Straßen Berlins zeigt. Per Voiceover teilt er seine Gedanken zur erzwungenen Pause, erzählt, dass er oft an den Film "In einem Jahr mit 13 Monden" von Rainer Werner Fassbinder denken muss. Da er kein festes Fotostudio oder Atelier hat, beschäftigt er sich zu Hause mit seinem Archiv. Immer wieder werden seine glamourösen Schwarz-Weiß-Fotos eingeblendet, die aus einer anderen Nachtleben-Zeit zu stammen scheinen.
Aber Marquardt sagt, dass er nicht nur in der Vergangenheit wühlen will. Immer wieder zieht es ihn nach draußen in die leeren Straßen. Er spaziert gegen die innere Unruhe an, sagt, dass jeder seinen eigenen Weg finden muss, um mit der Unsicherheit der Zukunft umzugehen. Dass man jedem diesen individuellen Weg zugestehen muss. Im Film "Isolation" mit melancholischen Stadt-Ansichten wird die Partymetropole Berlin zur Kulisse einer Shutdown-Introspektion. Die Clubs kämpfen derweil mit Stream-Partys, DJ-Sets im Netz und Solidaritätsaktionen ums Überleben. Die Türen bleiben bis auf weiteres geschlossen.