Anish Kapoor

Starren in blutrote Leere

Herr Kapoor, Sie sind bekannt dafür, dass Größe Ihnen keine Furcht einflößt. Haben die Ausmaße des Grand Palais Ihnen Angst gemacht?
In einem derart riesigen Raum auszustellen, ist natürlich absolut verrückt. Das Licht wirkt durch das Glasdach derart brutal, dass man das Gefühl hat, drinnen ist es heller als draußen! Auch die historische Struktur des Gebäudes darf man als Künstler nicht einfach ignorieren. Als ich 2007 im Münchner Haus der Kunst ausgestellt habe, musste ich mich natürlich auch damit auseinandersetzen, dass ich mich in Hitlers „Kunstbunker“ befand. 

Sie sind der vierte Künstler nach Anselm Kiefer, Richard Serra und Christian Boltanski, der den Grand Palais im Rahmen der Monumenta bespielen darf. 
Kiefer hat den Raum für seine Arbeiten eher wie ein Museum benutzt, Boltanski dagegen wollte den Betrachter in eine dichte Mise-en-scène ziehen. Serra schließlich hat mit seinen fünf enormen Stahlsäulen ja fast eine Art Zen-Garten geschaffen und mit den Leerstellen zwischen den Objekten gespielt. Und ich schließe diese Leerstellen nun sozusagen. 

Inwiefern? 
Es wird ein enormes Objekt in Form vier dunkelroter Blasen, die miteinander verbunden sind. Das Ganze ist 100 Meter breit, 38 Meter hoch und aus aufblasbarem, lichtdurchlässigem PVC, ein für mich ein recht neues Materialfeld. Der Besucher betritt den Grand Palais, doch er betritt direkt die Skulptur beziehungsweise ihr Inneres! Nur die zentrale Blase wird begehbar sein, von dort aus starrt man in die blutrote Leere der drei anderen Gebilde. Je nach Tageszeit wird sich die Stimmung der Farbe natürlich verändern. Man geht wieder hinaus, gelangt nun durch einen zweiten Eingang in den eigentlichen Grand Palais und sieht plötzlich diese Riesenstruktur von außen. Dieser Schockeffekt ist wichtig. Ich will, dass das Hirn des Besuchers die Vorstellung von dem Außen und dem Innen kaum zusammengesetzt bekommt. Es geht um diesen Moment der Verwirrung, die dieses eine Objekt schaffen soll.

Ihre Skulptur für die Olympiade 2012 soll sich 115 Meter in den Himmel schrauben. Für die Monumenta arbeiten Sie nun bewusst horizontal?
Ja, tatsächlich hat mich hier Horizontale mehr interessiert. Skulptur tendiert von jeher ja eher dazu, sich aufzurichten, hochzuschießen. Im Grand Palais dagegen möchte ich fast das Gegenteil, ich will den Betrachtern regelrecht das Gefühl vermitteln, die Skulptur arbeite sich in den Untergrund. Die drei roten Höhlen, in die man schauen wird, sollen etwas Finsteres, Untergründiges vermitteln. 

Der Effekt von Leere bei absoluter Größe, den Sie immer wieder kreieren, wird es also auch im Grand Palais geben?
Natürlich wird es auch hier um den Moment gehen, in dem der Betrachter dieser enormen Leere und Größe gegenübersteht. Größe ist wahrhaft mysteriös, nicht erklärbar. Wenn die Leere in einem Raum plötzlich enormer wirkt, als das Objekt, das diesen Raum eigentlich einschließt, ist das wie ein Wunder. Größe nimmt Einfluss auf unseren Körper und unsere poetische Wahrnehmung. Und genau das ist doch der Grund, warum ich Skulpturen mache.

Monumenta 2011, Anish Kapoor, 11.Mai bis 23. Juni