Ein riesiges Bronzepferd stand vor dem Brandenburger Tor. Mehr als ein Dutzend monumentale Bronzeskulpturen, besonders üppige Frauen und Männerplastiken, über zwei Meter hoch und jeweils bis zu einer Tonne schwer, schmückten den Lustgarten am Berliner Dom. Fernando Botero selbst kam zur Eröffnung und posierte vor seinen Werken.
Botero, der am 19. April 90 Jahre alt wird, ist einer der bedeutendsten und berühmtesten Künstler Lateinamerikas der Gegenwart. In seiner Geburtsstadt Medellín bilden 23 von ihm gestiftete Bronzeskulpturen auf der "Plaza Botero" ein besonderes Freilichtmuseum, das schöne Museo Botero in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá beherbergt 123 Werke des Malers und Bildhauers, der Kolumbien in der Welt glänzen lässt.
Doch auch in unzähligen Museen, auf Straßen und Plätzen weltweit sind seine Gemälde und Skulpturen wie in Berlin, München oder Bamberg vorübergehend oder dauerhaft zu sehen, locken Hunderttausende Besucher an. "Es freut mich sehr, dass er diese Anerkennung bekommen hat", sagt Silke Thomas der Deutschen Presse-Agentur. "Das ist ein tolles Lebenswerk." Die Galerie Thomas in München hat eine jahrzehntelange Beziehung zu Botero und die Ausstellung in Berlin 2007 zusammen mit der kolumbianischen Botschaft organisiert.
"Ich habe mehr Arbeit als Zeit"
Botero gilt als der lebende Künstler mit den meisten Ausstellungen. "Er hat einen Satz, den er mir oft sagt: Ich habe mehr Arbeit als Zeit", sagte dessen ältester Sohn Fernando Botero Zea dem kolumbianischen Fernsehen zum 90. Geburtstag seines Vaters. Das bedeute, dass er mehr künstlerische Ideen und Ausdrucksformen habe, als er umsetzen kann. Ein eigenes Team um Botero Zea arbeitet daran, Botero in China zu verbreiten.
Galeristin Thomas sagt: "Er ist einer der international beliebtesten Künstler, egal, ob in Nordamerika oder Südamerika, in Europa oder Asien, auf jedem Kontinent wird er verstanden und wiedererkannt." Es sind die charakteristischen üppigen, rundlichen, teils lustigen, teils skurrilen Figuren, mit denen Botero weltberühmt wurde, wobei er sagte, er male keine Dicken. Botero versieht mit diesem Volumen nicht nur Menschen, sondern auch Tiere, Pflanzen, Landschaften und Gegenstände.
Er würdigt damit die Sinnlichkeit des Lebens, aber auch den Überschwang seines Landes. "Ich bin der kolumbianischste unter den kolumbianischen Künstlern", sagte Botero. So blutig und langwierig der bewaffnete Konflikt in Kolumbien war, so bunt und ästhetisch ist das südamerikanische Land auch. Auf seiner opulenten Schönheit beruht etwa das Setting des Animationsfilms "Encanto", der jüngst bei den Oscars prämiert wurde.
Distanz zum magischen Realismus
Botero beschäftigt sich mit dem Alltag in Südamerika, dem Katholizismus, dem Stierkampf, aber auch die Gewalt und die Korruption fließen ein. Nach dem Unfalltod seines kleinen Sohnes Pedro schuf er viele Werke im Andenken an ihn. Mit der "Abu Ghraib-Serie" verarbeitete Botero den Schrecken über die Folterpraktiken der US-Soldaten im Irak. Vom magischen Realismus distanziert er sich: "Ich male unwahrscheinliche Dinge, aber keine unmöglichen. In meinen Bildern fliegt niemand."
Die Beschäftigung geschieht oft aus der Erinnerung, nachdem Botero Kolumbien 1952 erstmals verlassen hatte und heute überwiegend in Monte Carlo und Pietrasanta lebt. In Rionegro bei Medellín verbrachten er und seine dritte Frau, die griechische Künstlerin Sophia Vari, auch immer wieder den europäischen Winter.
Während Boteros Werke heute Rekordpreise erreichen, war er nach dem frühen Tod des Vaters mit nur wenig aufgewachsen. Ein Onkel, der sich für den Stierkampf begeisterte, schickte den Jungen in die Torero-Schule. Dieser zeichnete jedoch lieber die Toreros als mit den Stieren zu kämpfen. Bald arbeitete er als Illustrator bei der Zeitung "El Colombiano".
Leidenschaft fürs Volumen
Mit dem Geld für einen Kunstpreis, den er in Bogotá gewann, reiste Botero nach Europa, studierte in Spanien die alten Meister wie Velázquez und Goya, war fasziniert von der italienischen Renaissance. "Er hat sich durch die Kunstgeschichte gearbeitet und einen langen autodidaktischen Weg hinter sich gelegt", sagt Thomas. "Eine solide Grundlage gebildet, aus der er schöpfen kann. In Verbindung mit der kolumbianischen Folklore schuf er seine eigene Kunst."
Die bekannteste Anekdote, wie Botero zu seinen aufgeblasen wirkenden Figuren gelangte, hat mit dem Loch in einer Mandoline zu tun, die er malte - und das ihm klein geriet, wodurch das Musikinstrument größer wirkte. Die Verwendung der übertriebenen Formen sei fast intuitiv gewesen, sagte Botero, "oder weil ich etwas gesehen habe, das dem Präkolumbianischen glich". In Europa spürte er wieder die Leidenschaft für das Volumen: "Man beginnt, sich selbst durch die Dinge zu entdecken, die man liebt. So lernt man langsam, wer man ist und findet seinen Weg."
Seine Galeristin Silke Thomas hat Fernando Botero in all den Jahren überhaupt als unheimlich leidenschaftlichen Künstler kennengelernt, der sehr gewissenhaft, beständig und regelmäßig arbeitet. Auf die Frage, was das beste Geschenk sei, das er bekommen hat, antwortete Botero denn auch: "Ein kleines Gefäß, das mir jemand geschenkt hat und in dem ich meine Öle mische. Alles, was mit Arbeit zu tun hat, wird am meisten geschätzt."