Im Sommer 2017 spazierte Sindika Dokolo höchst zufrieden mit dem Kurator Bonaventure Soh Bejeng Ndikung über die Documenta 14 in Kassel. Der in Angola lebende Sammler hatte die Präsenz afrikanischer Künstler und Künstlerinnen auf der Ausstellung großzügig unterstützt – ohne ihn wären viele der Projekte (zum Beispiel der Obelisk von Olu Oguibe) nicht möglich gewesen. Und laut Aussage seiner Sindika Dokolo Foundation sollten Ndikung und D14-Leiter Adam Szymczyk im Jahr nach der Documenta, also 2018, eine weitere Ausstellung organisieren, die dann nach Luanda in seine Foundation reisen sollte. Dass das nicht mehr stattfand, hat vielleicht auch mit einem Regierungswechsel zu tun. Denn plötzlich war Dokolo nicht mehr der Schwiegersohn des angolanischen Präsidenten und hatte einige seiner Privilegien in Angola eingebüßt.
2017 gab José Eduardo dos Santos, der das arme Angola seit 1979 autokratisch regiert und dabei ein enormes Vermögen angehäuft hatte, sein Amt an seinen damaligen Verteidigungsminister João Lourenço ab. Die Regierung Lourenço begann, gegen Korruption vorzugehen und nahm auch dos Santos und seine Familie ins Visier. Die ehemalige Präsidententochter Isabel dos Santos, berühmt als reichste Frau Afrikas, verlor sofort ihre Position als Chefin des staatlichen Ölkonzerns Sonangol. Ende 2019 wurde ihr Vermögen in Angola eingefroren – und mit ihr auch die Konten ihres Ehemannes Sindika Dokolo. Der angolanische Staat fordert rund eine Milliarde Euro von Isabel dos Santos zurück, die sie im Rahmen von Ölgeschäften unberechtigterweise kassiert habe.
Jetzt enthüllt die Großrecherche "Luanda Leaks" eines internationalen Journalistennetzwerkes die Details der wirtschaftlichen Vorteilsnahme des Ehepaars dos Santos/Dokolo, die über Jahrzehnte massiv vom Einfluss des Vaters profitiert haben sollen. Laut Dokumenten, die einer Whistleblower-Plattform zugespielt wurden, soll Dokolo selbst beispielsweise die Hälfte eines Juweliergeschäftes in der Schweiz besitzen, das aber zum Großteil vom angolanischen Staat bezahlt worden war. Isabel dos Santos bestreitet die Vorwürfe. Sie sprach von einem "orchestrierten Angriff der jetzigen Regierung", der politisch motiviert sei und jeder Grundlage entbehre.
Rund 5000 Werke in Dokolos Sammlung
In Kunstkreisen ist Sindika Dokolo als einer der größten Sammler klassischer sowie zeitgenössischer afrikanischer Kunst bekannt, seine Sammlung umfasst rund 5000 Werke. In Kassel war er als sehr reflektierter Kenner der Materie zu erleben. Ihm gefalle vor allem der marktferne Ansatz der Documenta, erklärte er damals im Interview. Mit seiner Stiftung wolle er eine seriöse Institution für afrikanische Kunst aufbauen.
Die Herkunft des Vermögens seiner Familie war damals allerdings bereits bekannt – dass die Präsidententochter so ganz ohne Vorteilsnahmen als Geschäftsfrau in diesem armen Land Milliarden verdienen konnte, musste Beobachtern immer schon unwahrscheinlich erscheinen. Im Gespräch konterte Dokolo damit, westliche Sammler müssten sich ja auch nicht ständig dafür rechtfertigen, woher ihr Geld eigentlich komme. Diese Zeiten sind allerdings auch vorbei. Wie beispielsweise die amerikanische Familie Sackler erfahren musste, müssen sich mittlerweile Sammler und Sammlerinnen jeglicher Herkunft fragen lassen, womit genau sie ihr Geld verdient haben.
"Weder mit Waffen noch mit Drogen gehandelt"
Die Familie dos Santos/Dokolo lebt mittlerweile in London, die Dokolo Foundation hat keine aktuellen Ausstellungen und Projekte auf ihrer Webseite annonciert. Zuletzt konnte der Reichtum der Dokolo-Sammlung in der von dem Künstler Kendell Geers konzipierten Ausstellung "Incarnations – African Art As Philosophy" besichtigt werden, die 2019 im Bozar in Brüssel stattfand. Außerdem trat Dokolo als Sponsor der in London und New York stattfindenden Messe 1 – 54 für Kunst aus Afrika auf.
Laut einer Umfrage der französischen Zeitung "Le Monde" sind Sindika Dokolos Freunde in der Kunstwelt trotz der Enthüllungen von seinen Qualitäten überzeugt. Der Pariser Kurator Simon Njami, der Dokolo lange beraten hat, sagte, er werde jetzt nicht mit den Wölfen heulen: "Soweit ich weiß, hat Sindika weder mit Waffen noch mit Drogen gehandelt, und ich weiß auch nichts davon, dass er staatliche Firmen geleitet hat. Bis zum Beweis des Gegenteils schätze ich ihn als jemanden, der die zeitgenössische Kunst in Afrika vorangebracht hat."