Sven Johne: Das sowjetische Hauptquartier
Im Rahmen der Berlin Art Week 2023 präsentiert Fluentum die Einzelausstellung Das sowjetische Hauptquartier des Künstlers und Filmemachers Sven Johne. Im Zentrum der Ausstellung steht der titelgebende Film, der von Fluentum produziert wurde und im September seine Premiere feiert. Ergänzt wird die Ausstellung von einer Installation aus früheren Videoarbeiten Johnes, die zum Teil aus der Fluentum Collection stammen und Themenstränge weiterdenken.
In den Arbeiten von Sven Johne legen sich persönliche Narrative über die monolithischen Eckpfeiler offizieller Geschichte, um diese entlang persönlicher Ausflüchte und emotionale Störmomente neu zu erzählen. Johne eignet sich die Ästhetik des Dokumentarischen an und speist fiktionale Elemente in sie ein, die ihre Ansprüche auf Wahrheit torpedieren. Was entsteht, ist ein Realismus, der jenseits von Authentizität und Widerspiegelung mehr ergibt als die Summe seiner Teile.
Johnes neuer Film Das sowjetische Hauptquartier (2023) spielt auf dem heute brachliegenden Gelände des ehemaligen Hauses der Offiziere in Wünsdorf, Brandenburg. Das im frühen 20. Jahrhundert im neobarocken Stil errichtete schlossartige Anwesen diente bis 1994 als kulturelles Hauptquartier der in Ostdeutschland stationierten sowjetischen Truppen. In Johnes neuer Arbeit wird dieses Hauptquartier zum Schauplatz eines Gesprächs zwischen dem zum Erfolg verdammten Immobilienmakler Becker (Marc Zwinz) und der vermeintlichen Interessentin Katharina Baronn (Luise Helm), die zunächst gedankenverloren die Räumlichkeiten besichtigt. Im Verlauf des Filmes kippt unsere Aufmerksamkeit und der innere Monolog Katharina Baronns tritt in den Vordergrund: sie erlebte hier als 8-jähriges Kind den Abzug der sowjetischen Truppen. Seither geistert eine sentimentale „Kindersowjetunion“ (in Johnes Worten) als vermeintliche Alternative zum real existierenden Kapitalismus in ihren Erinnerungen. In Das sowjetische Hauptquartier geht es um frühe Prägungen, um die Wirkmächtigkeit von Ideologien und um den Abschied von der Kindheit.
Inszeniert im ehemaligen US-Hauptquartier, in dem Fluentum heute Ausstellungen zeigt, verdoppelt Das sowjetische Hauptquartier Zeitlichkeiten, Ideologien und die Wendungen politischer Geschichte in der Nachwendezeit, um in einen Dialog über den Zusammenhang von Versagen und Erinnern zu treten.