Ökologie und Landwirtschaft sind die bestimmenden Themen innerhalb des Œuvres von Anna Hulačová (* 1984). Die tschechische Künstlerin bearbeitet darin einen Dualismus aus Utopie und Dystopie, welcher den Widerstreit von Pessimismus und Optimismus in Hinblick auf den heutigen und künftigen Zustand der Welt spiegelt. Hulačovás Zeichnungen und Skulpturen – technische Arbeitsmaschinen, Pflanzen, Tiere und Menschen – aus Beton, Keramik und Holz nehmen den spannungsreichen Zwischenzustand auf: es sind hybride Wesen und Maschinen, deren Körperlichkeit und Funktion transformiert sind, die miteinander verbunden sind und ineinander übergehen. An die irdischen Bedingungen scheinen sie nicht mehr vollends gebunden zu sein. Sie tragen die Vergangenheit in sich, sehen sich mit einer veränderten Umwelt konfrontiert und reagieren darauf mit einer Weiterentwicklung ihrer selbst.
Die „Alienbees“ sind beispielsweise angelehnt an das Phänomen, dass Bienen einen Evolutionsmechanismus in puncto Körperveränderung bereithalten, um Parasiten abzuwehren. Bienen sind als Bestäuber integrale Elemente in der Nahrungskette, wenn sie jedoch zu Aliens mutieren und eine außerweltliche Existenz anstreben, kommt es zu fiktionalen Erzählungen in Hulačovás Ausstellungen, welche die Künstlerin betitelt mit einem rhythmischen “Alienbees, save us, please!” (Galeria Arsenał, Białystok, Polen, 2021). Hulačová beschäftigt sich nicht nur referenziell oder narrativ, sondern auch tatsächlich mit Bienen: Einige ihrer Skulpturen sind als Bienenstöcke konzipiert, in anderen, zumeist hölzernen, an menschliche Körper erinnernden Wesen, lässt die Künstlerin Bienenvölker Waben bauen. Diese ersetzen zentrale Organe und symbolisieren die Seele.
Hulačová beschäftigt sich eingängig und fundiert mit komplexen Themen als Phänomene des Wandels, ebenso wie mit der Geschichte der Landwirtschaft und kulturgeschichtlichen Entwicklungen von Mythen und Sagen rund um ihre Kernthemen. Die Folgen der kommunistischen Zwangskollektivierung und Vertreibung in der damaligen Tschechoslowakei sind noch im heutigen Tschechien spürbar und gehören auch zu ihrer Familiengeschichte. Die Formsprache entwickelt sich unter anderem aus dem intensiven Studium tschechischer Volkskunst, sowjetischem Brutalismus, der Formlehren des Futurismus und des traditionellen Handwerks als Vorläufer und Erbe. Das Gestern verstehen, um in der Gegenwart in Dialog zu treten und das Morgen zu gestalten, ist Hulačovás Glaubenssatz. Diesem folgt ihre hochästhetische künstlerische Sprache, die auf Geschichte, Biologie und Ökologie fußt, und entwickelt sich daraus auf virtuose Weise in fiktiven Strängen.
Für die Ausstellung im Kunstraum Dornbirn schafft Hulačová neue Arbeiten und kombiniert diese mit bestehenden Werken zu einer für den Raum geschaffenen Erzählung.
Anna Hulačová (geboren 1984 in Sušice, Tschechische Republik) absolvierte die Akademie der Bildenden Künste in Prag im Studio of Intermedia Work II unter Jiří Příhoda. Ihre Arbeiten waren in zahlreichen Institutionen zu sehen, darunter dem CEEAC in Straßburg, der Nationalgalerie Prag, der Galeria Arsenał in Białystok, dem Brno House of Arts, auf der Art Encounters Biennial 2021 in Timisoara, dem MO.CO. Montpellier, dem Centre Pompidou in Paris, der Fondation Louis Vuitton in Paris, der Liberec Regional Gallery, der Východoslovenská Galéria in Košice, der Aichi Triennale 2019 in Japan, dem Casino Luxemburg, der Baltischen Triennale 13, der Galerie der Stadt Prag und der Galerie der Stadt Danzig.