Barfuß, in traditionellem Kleid, steht sie da – Theodorah. In den Händen ein Bündel Reisig, den Blick nach oben gerichtet. Sie ist allein in diesem leeren, 200 mal 152 Zentimeter großen Bildraum der Papierarbeit "Location Unknown V". Ebenso in "Location Unknown II" und III: Hier sitzt sie auf dem Boden, wirkt ein wenig verloren, erschöpft. In jedem Bild verlaufen auf Höhe ihres Kopfes ein, zwei horizontale Linien, die mit kleinen Kreuzen versehen sind. Sie markieren Erinnerungen an Theodorahs Mann Gebane, der schon so lange weg ist, dass er längst nur noch als Idee in ihrem Kopf existiert.
Theodorah ist das Alter Ego der südafrikanischen Künstlerin Senzeni Marasela, die 1977 in Thokoza geboren wurde und in Johannisburg lebt. Die Figur ist Maraselas Mutter und gleichzeitig jede einzelne Schwarze Frau, die während der Apartheid aus ihrem Zuhause vertrieben und in segregierte Wohnviertel gezwungen wurde. Deren Mann Arbeit in den gefährlichen Minen suchte und nie wieder zurückkehrte. So wie Gebane, nach dem Theodorah seither sucht.
Die Ausstellung "I write (stitch) what I like" in der Berliner Galerie Bode gibt einen Einblick in Maraselas Auseinandersetzung mit Fragen der Erinnerung und des Verlusts. Es geht um die Situation des Wartens, der Einsamkeit und der Hoffnung, die eng mit der Zeit der Apartheid verbunden ist. Und die noch heute fortwirkt.
Ein Kleid macht sie zur Wartenden, Suchenden
Seit über 20 Jahren bewegt sich Theodorah durch Maraselas multimediales Werk, erscheint in ihren Fotografien, Installationen, Textil- und Papierarbeiten. Während einer Langzeitperformance von 2013 bis 2019 nahm Theodorah sogar am wirklichen Leben teil: Jeden Tag trug die Künstlerin, die 2023 mit dem ersten K21 Global Art Award der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet wurde, das traditionelle Iseshweshwe-Kleid. In mehrfacher Ausführung ist es auch Teil der Ausstellung in der Galerie Bode. In der Xhosa-Kultur, vor allem im ländlichen Bereich, wird es von verheirateten Frauen getragen.
Das Kleidungsstück sollte als Zeichen für ihren fiktiven Mann fungieren, sie als Wartende, Suchende markieren. Und es stand noch für einen weiteren Aspekt: "Es ging mir darum, diese fast unsichtbare, am Rand stehende Person sichtbar zu machen - eine Frau aus dem ländlichen Raum und noch dazu eine Schwarze Frau. In den Städten Südafrikas und in der ganzen Welt. Ich wollte die Leute dazu zwingen, meine Figur, Theodorah, zu sehen", sagt Senzeni Marasela am Tag der Eröffnung ihrer Berliner Ausstellung.
Sie selbst hat im Zusammenhang mit der Performance oft Rassismus erfahren: Außerhalb des südafrikanischen Kontexts fehle das Wissen, um das Kleid richtig zu "lesen". Ungeachtet seiner eigentlichen Bedeutung wird es hier häufig als Zeichen für eine prekär lebende Einwanderin gedeutet.
Die Minen als Tod der Schwarzen Familie
Als sie es beispielsweise 2015 während ihrer Teilnahme an der 56. Venedig Biennale trug, kamen die Menschen auf sie zu, wollten ihr Essen und Geld geben und versorgten sie ungefragt mit Ratschlägen, wo sie kostenlos Dinge für ihre Kinder bekommen könne. "Man sollte meinen, dass die Menschen, die die Biennale besuchen, bewusster sind, was Inszenierungen angeht. Aber als sie mich mit diesem Kleid sahen, wirkte ich für sie wie eine arme Frau aus Afrika, die auf eine bestimmte Art und Weise behandelt wird und mit der man auf eine bestimmte Weise spricht."
Ein alle Werke verbindendes Element ist die Farbe Rot. Sie geht auf die 1960er-Jahre zurück, eine Periode der Dürre, in der sich der rote Staub über alles legte. Gleichzeitig wurden zu dieser Zeit zahlreiche Männer aus den Dörfern als Soldaten rekrutiert, wodurch das Rot zu einem Symbol für Verlust und zerbrochene Beziehungen wurde. Die Farbe verweist zudem auf die gefährliche Arbeit in den Minen: "Es gab viele Menschen, die in diesen Minen starben, die dort begraben wurden, während der Reichtum des Landes angehäuft wurde. Sie wurden nie gefunden. Für uns Schwarze Südafrikaner bedeuten die Minen also den Tod der Schwarzen Familie."
Die Arbeiten der Ausstellung "I write (stitch) what I like" schreien diesen Schmerz nicht heraus. Sie deuten ihre Geschichten subtil an und lassen uns wissen, dass es viel zu lernen gibt von dieser fast unsichtbaren, am Rand stehenden Person, die uns in Maraselas Œuvre begegnet.