Künstlerin Lara Koch

Segeln ins Unbewusste

Die poetischen Skulpturen von Lara Koch spüren Sound und Takt der Schöpfung nach. Nun ist die Absolventin der Münchener Kunstakademie für den Young Generation Art Award nominiert


Egal wie begabt man ist, der Einstieg in die Künstlerkarriere ist kein Selbstläufer. Mit dem New Generation Art Award wollen wir jetzt Nachwuchskünstlerinnen und -künstler ins Scheinwerferlicht stellen. Der Preis, den das Unternehmen Degussa Goldhandel in Kooperation mit dem Monopol-Magazin auslobt, startete zur Berlin Art Week mit der Verkündung der ersten Shortlist. Mit HanGyol Kim, Lara Koch, Thuy Tien Nguyen, Boris Saccone und Allistair Walter wurden fünf Künstlerinnen und Künstler ausgewählt, die kürzlich ihren Abschluss an einer Kunsthochschule in Deutschland gemacht haben oder das in Kürze vorhaben und jetzt ihren Weg in die Kunstwelt finden müssen. Hier stellen wir nacheinander ihre Arbeit vor. Die Preisverleihung findet am 25. Februar 2025 statt. 


"Verkaufe ein Drittel Boot" – die Anzeige auf Ebay Kleinanzeigen weckte sofort Lara Kochs Neugier. Was ist das für ein Boot, warum besteht es nur noch zu einem Drittel? Was ist mit dem Rest passiert? Was ist seine Geschichte? Das Boot steht jetzt in Kochs Wohnatelier und ragt mit dem Bug fast an die Decke; ein wunderschönes Stück aus rötlichem, von der Zeit patiniertem Holz. Vor dem schmalen Rumpf erhebt sich der archäologisch anmutende Gips-Torso eines Frauenkörpers aus einem weißen Kleid, das sich in den Raum ergießt wie ein Segel.

"La Donna", so der Titel von Kochs Skulptur, scheint eingefroren im Moment des Aufbruchs, die Segel sind gesetzt, es geht auf zu neuen Horizonten. Was immer die Geschichte des Drittelbootes war – jetzt erzählt es eine neue.

Schiffe und Wasser, Bewegung, Schöpfung und Metamorphosen – das sind zentrale Aspekte in Lara Kochs Kunstpraxis, und es braucht keinen Psychoanalytiker, um sie zu deuten, sie macht es gleich selbst: Es war ein wiederkehrender Kindheitstraum von einer "Insel, auf der ich allein mit vielen Tieren lebte", der bei ihr den Wunsch, Künstlerin zu werden, in Gang gesetzt habe. 

Die ganze Bandbreite des sichtbaren, hörbaren, spürbaren Daseins

Im Arrangement skurriler Fundstücke manifestierte sich schon für die Surrealisten Traumhaftes und Unterbewusstes – André Breton beschrieb das surrealistische Objekt als ein "Element, das vor unseren Augen auftaucht, den Schleier der Realität zerreißt und uns in jene Bereiche führt, die die Surrealisten interessieren: Fantasie, Erotik, Sehnsüchte, Unbewusstes ...". Dorthin steuert auch Kochs Kunst, doch lässt sie sich dabei weniger von Eros und Phallussymbolen leiten als von der Sehnsucht nach Sinnlichkeit und Verschmelzung mit der Natur, von der Suche nach dem kosmischen Ganzen.

Menschliche und nicht menschliche Akteure treten dabei gleichberechtigt nebeneinander. „Tau“ ist ein Brunnen, in dem Wasser über Hände und Blattformen fließt. In der kinetischen Skulptur „Voilà“ streicht eine Feder über die Wölbung eines Schlüsselbeins, begleitet vom Ticken eines Metronoms. Die im Wasser eines Keramikbeckens stehende Skulptur "Duende" erinnert an ein Modellschiff, an seinen Segeln hängen kleine Fußabgüsse, und zwar so, dass sie über Wasser zu laufen scheinen. 

Mal wirkt es, als gingen die Bewegungsimpulse von Uhrwerken und Zahnrädern aus, dann wieder scheinen Körperabformungen die abstrakteren Elemente zu beseelen, und in diesem Zusammenspiel von Physik und Spiritualität, Mechanik und Intuition macht Koch die ganze Bandbreite des sichtbaren, hörbaren, spürbaren Daseins erfahrbar.

Ein Neuarrangement alter Fragmente

Die poetisch-mythologische Aufladung ihrer Fragment-Assemblagen ist dabei getragen von einer besonderen Sensibilität für Materialien und physikalische Phänomene. Vom patinierten Holz des Bootes schwärmt sie genau wie von den alten Kupfernägeln, das Kleid der "Donna", ein alter Fallschirm, bestehe aus Seide. Für ihre Körperabformungen benutzt sie den Naturstoff Gips, feine mineralische Gesteine, die sie erst mit Wasser anrühren müsse – und das sei, erklärt sie, ja gewissermaßen auch ein Neuarrangement alter Fragmente. "In neue Körper verwandelte Gestalten", so nannte Ovid das vor 2000 Jahren.

Immer wieder treten in Lara Kochs Skulpturen auch Instrumente an die Stelle von Körperteilen. Musik sei ihre erste Leidenschaft gewesen, erzählt sie. Statt Klavier studierte sie zunächst Design an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München und erlangte dann ihr Diplom an der Akademie der Bildenden Künste München, wo sie die Malereiklasse von Gregor Hildebrandt besuchte. 

Musik schätze sie als Form der Kommunikation und des Austauschs, als Mittel der Ich-Auflösung und Verbundenheit. Und dann sei es gerade bei alten Blasinstrumenten eben auch wunderbar zu sehen, wie sich das Messing verändere – "wie die im Verwelken eigentlich noch schöner werden". Und das ganz ohne unser Zutun.