Da fehlt was! Das Wichtige, es ist nicht da. Diese Assoziationen sind berechtigt. Denn der Berliner Konzeptkünstler Olaf Nicolai hat die Werbebroschüren von Discountern ihrer Inhalte beraubt und präsentiert den Betrachtern nun das leere Gerüst, das sonst die Schnäppchen und Sonderangebote trägt. Flächen in rot und blau, von Diagonalen durchschnitten und mit kleinen gelben Schildchen besetzt.
Das Nichts, das selbst jedoch nicht vollkommen leer ist. Der Träger rückt in den Fokus. Es ist wie das Hellblau der Papierlage, die zwischen zwei Werbeplakate geklebt wird, die dem britischen Street Art Künstler Banksy als Leinwand für sein Graffito "The joy of not being sold anything" diente. Anders als bei Banksy geht es Nicolai jedoch nicht darum, den Konsum – den Kulturkonsum zumal, schließlich handelt es sich um die Spielzeitkampagne der Berliner Schaubühne – abzulehnen. Stattdessen ist es eine grafische Meditation über das Fehlende.
Normalerweise wollen Prospekte auf besondere Angebote aufmerksam machen. Mit schreienden Farben und dicken Pfeilen und Ausrufezeichen, damit man sie in der Überfülle der Konsumwelt nicht übersieht. Die Parallele zu Spielzeitkampagnen ist schnell gezogen. Kaum ein Haus, das zu Saisonbeginn nicht sein Ensemble fotografiert und in Form von Spielzeitheften und Plakaten verbreitet. Natürlich stets sehr bemüht um Neues, aber am Ende doch auch ein Prospekt von vielen, den die Kulturkonsumenten im kulturellen Überangebot wahrnehmen sollen.
Jetzt ist Krise. Und plötzlich fehlt das Gewohnte, ist der Konsum von Kultur nicht wie früher möglich. In Nicolais Werbegerüsten schwingt die bange Frage mit, wann sie wieder befüllt werden. Ob sie wieder befüllt werden. Schließlich stehen die Theater nicht nur vor dem Problem, Spielzeiten inhaltlich nicht langfristig planen zu können, sondern auch vor teils existenzbedrohenden finanziellen Herausforderungen. Neben der Sehnsucht nach dem Dagewesenen und dem Hoffen auf dessen Rückkehr, können Nicolais Plakate aber auch sagen: Kultur und ihr Konsum müssen in der Krise, die ja noch lange nicht überwunden ist, anders funktionieren. Die bekannten Träger und Gerüste haben ausgedient, weil die Theater vollkommen neue Formen zu inszenieren, zu proben und zu spielen finden müssen – und das Publikum letztlich auch neue Formen des Kulturkonsums.