Die 1920er-Jahre lassen sich in vielen Disziplinen dankbar ausschlachten. In Architektur, Kunst, Design und den darstellenden Künsten breitete sich der frische Wind des wilden und goldenen Zeitalters aus, wie es im Nachhinein gerne verklärt wird. Entsprechend viele Ausstellungen gab es bereits dazu.
"Schall und Rauch" grenzt sich von ihnen ab und betont bewusst die Heterogenität der damals herrschenden Strömungen. Dadaismus in der Kunst trifft auf Designikonen aus der Bauhaus-Ära, Modernismus und Aufbruchsstimmung wird von der Mode bis zu Publikationen aufgezeigt.
Zeitgenössische Positionen von Künstlerinnen und Künstlern wie Alexandra Navratil oder Kader Attia schlagen Brücken in die Gegenwart. Der Bezug kann direkt entstehen, wie in Attias Projektion, in der Fotos aus der Zeit, die die Deformationen von Kriegsversehrten zeigen, und aus Holz geschnittene, afrikanisierende Skulpturen gegenübergestellt werden: Die Narben der Soldaten treten in Verbindung mit der Kolonialgeschichte.
Oder in der poetischen Installation von Navratil, die verblassende Muster-Kolorierungsbücher für Schwarz-Weiß-Filme aus den 1920ern zeigt: Die Farben haben sich längst verändert, so wie Erinnerungen immer verzerrt sind. Doch auch losere Assoziationen sind möglich, und man entdeckt das aktuelle Gemälde von Nicolas Party erst beim genaueren Hinsehen an der Wand mit Porträts.
In Ausstellungen wird gerne behauptet, ihre heterogenen Teile träten miteinander in Dialog. Besonders wenn sich nicht total offensichtlich erschließt, warum sie in einer Beziehung stehen sollten. Im Kunsthaus löst sich das Versprechen jedoch tatsächlich ein, und es öffnet sich in der Vielfalt ein umfassenderer Blick auf die 1920er. Mit jedem Aha-Moment, was alles in diesen Jahren geschah, wird deutlicher, dass die rückblickende Einseitigkeit zu kurz greift und jedes Zeitalter komplexer ist, als es die (Kunst-)Geschichtsschreibung vermuten lässt.