Designerin Sabine Marcelis im VitraHaus Loft

"Ich wollte einen Ort schaffen, der rein funktional durch Farbe getrennt ist"

Die niederländische Designerin Sabine Marcelis hat das VitraHaus Loft des Möbelherstellers in Weil am Rhein umgestaltet. Ein Gespräch über Einflüsse, Glas als Material und Farbe als strukturierendes Element

In dem von Herzog & de Meuron entworfene VitraHaus Loft in Weil am Rhein zeigt Vitra seit dessen Eröffnung 2010 immer wieder fiktive Hauseinrichtungen, die Besucher inspirieren und zum Kaufen anregen sollen, die aber auch dank bekannter Designerinnen und Inneneinrichter wie Ilse Crawford oder India Mahdavi zu kuratierten Ausstellungen werden. In diesem Jahr hat die vielfach ausgezeichnete Designerin Sabine Marcelis das Loft umgestaltet

Sabine Marcelis, im Jahr 2022 haben Sie das Schaudepot von Vitra nach Farben neu geordnet. Was war Ihre Idee für das Vitra Loft?

Auch bei der Konzeption des Lofts spielten Farben eine große Rolle. Ich wollte einen Ort schaffen, der rein funktional durch Farbe getrennt ist. Es gibt keine Wände oder andere Unterteilungen, um Räume zu definieren. Jede Raumkategorie – das Wohnzimmer, die Küche, das Schlafzimmer, das Badezimmer – wird durch ein Möbelelement in seiner Funktion definiert.

Zum Beispiel Ihr blockhaftes Bad aus rosa Stein von Solidnature, das auf der einen Seite eine Badewanne ist, auf der anderen ein Waschbecken und dann wieder Dusche. Sie haben es 2022 in Mailand gezeigt.

Ja, ich habe eigene Entwürfe arrangiert, wie die Badezimmerskulptur und einen Küchentisch. Und es wurden viele Vitra-Produkte neu gepolstert oder in individuellen Farben beschichtet, um in die Palette des Lofts zu passen. Es gibt den Panton Chair jetzt in sieben neuen Farben. Und wir haben zum Beispiel das Vitra-Kado-Büromöbelsystem als ein Bett und einen Kleiderschrank umgenutzt. Dazu habe ich befreundete Künstler eingeladen, Werke für dieses Projekt zu schaffen oder auszuleihen, um ein Gefühl von Zuhause zu vermitteln.

Die Keramik-Boots-Kerzenständer von Laura Welker, Bettwäsche von Ehsan Morshed, Mülleimer und Kehrblech von Tim Teven & Flora Manon, ein gelber Teppich von CC Tapis, fließende Gläser von RiRa Objects – um jetzt nur einige zu nennen. Wie ist das in Ihrer eigenen Wohnung, welches ist Ihr Lieblingsobjekt, das Sie nicht selbst entworfen haben?

Ich habe einen wunderschönen Jenny-Nordberg-Spiegel in meinem Haus, den ich liebe! Es ist einer dieser Entwürfe, bei denen man sich wünscht, man hätte ihn selbst gemacht. Ein sehr pures und einfaches Konzept, ein Spritzer Versilberung auf einer Glasplatte. Jeder dieser Spiegel ist so einzigartig. Ich liebe Entwürfe mit einer einzigen Geste, die ein starkes und eindrucksvolles Ergebnis liefert.

Sie arbeiten selbst oft mit Spiegeln, gerade haben Sie für Bulgari auf der Piazza di Spagna eine immersive Skulptur installiert, für die sich zwölf drehende Spiegel-Säulen der Sonne zuwenden. In Ihren Objekten fangen Sie immer wieder Licht ein und geben es wieder frei. Haben Sie ein Lieblingsmaterial?

Ich liebe es, mit Glas zu arbeiten, weil es so viele Fähigkeiten und Eigenschaften hat. Seit über 15 Jahren arbeite ich jetzt mit Verbundglas, und wenn man immer wieder mit demselben Material zu tun hat, erweitert man sein Wissen und kann die Grenzen des Möglichen ausreizen. Gerade beschäftige ich mich damit, Solarzellen in Glas einzubauen, ohne dass man sie sehen kann. Eine unsichtbare Technologie, die es ermöglicht, Installationen im Freien netzunabhängig zu betreiben und Energie zu gewinnen, die nachts ihre eigene Beleuchtung versorgt. Ich habe kürzlich eine Sonnenuhr-Skulptur vor den Pyramiden von Gizeh vorgestellt, die genau so funktioniert. Außerdem habe ich mich nun für eine Kollektion von Couchtischen für Acerbis vom reinen Verbundglas weggewagt. Das war ein völlig anderer Prozess, bei dem ich mich wirklich auf das handwerkliche Geschick der Glasbläser verlassen musste. Es ist sehr beeindruckend zu sehen, welche Lungenkapazität erforderlich ist, um diese großen Glasmengen zu blasen!

Bauhaus oder Radical Design, was hat Sie mehr beeinflusst?

Schwer zu sagen. Ich muss Entwürfe immer auf ihre Essenz zurückführen. Die Form folgt der Funktion, so wie der Ethos des Bauhauses. Die Funktion in meiner Arbeit besteht darin, bestimmte Materialeigenschaften und Effekte zu zeigen. Ich brauche immer einen Grund für jeden Aspekt eines Objekts. Ich liebe es auch, mit industriellen Materialien und geometrischen Formen zu arbeiten. Aber meine Farbpalette ist freier und weniger streng.

Ist denn Schwarz überhaupt eine Farbe für Sie?

Technisch gesehen sind es alles Farben oder die Absorption von Farben. Ich trage gerne Schwarz, aber in meiner Arbeit verwende ich es nicht oft. Es taucht nur als Abwesenheit von Licht auf, wenn Installationen im Freien mit der Sonne interagieren und Schatten erzeugt werden.

Es heißt, Ihr Umgang mit Licht, Farben und Spiegeln stamme aus der Zeit, in der Sie viel Snowboard fuhren, Sie sind aber zum Teil auch in Neuseeland aufgewachsen. Wie wirkt sich so eine besondere Natur auf das ästhetische Auge aus?

Ich verbrachte so gut wie alle Zeit im Freien und nahm die Natur um mich herum in mich auf. Neuseeland ist einzigartig, man findet dort Gletscher, Wüsten, Strände, Wälder und Berge. Ich habe es geliebt, all die flüchtigen Momente in der Natur zu beobachten. Das ist immer noch Inspiration für meine Arbeit. Vor allem die Farben über den Wolken in den Bergen, die sind absolut magisch. Ich beziehe mich immer wieder auf diese Erinnerungen.