Mit Strickbildern als Ironisierung vermeintlich typischer Frauenarbeit wurde Rosmarie Trockel weltberühmt. Dabei habe sie "noch nie Hand an Wolle gelegt", sagte sie einmal. Trockel lässt grundsätzlich Maschinen nach Computervorlage stricken. Doch die Kunst der Wahl-Kölnerin geht weit über serienmäßige Wollsiegel und Playboy-Häschen in Strick hinaus.
Keramik, Videoinstallationen, Herdplatten-Skulpturen oder Eiertapeten - seit Jahren zählt Trockel mit ihren vielseitigen, fantasie- und humorvollen Arbeiten zur Spitze der internationalen Kunstszene. Der in Deutschland erscheinende Kunstkompass listet sie regelmäßig als einzige Frau unter die Top Drei der Kunstszene. Am 13. November wird die 1952 in Schwerte geborene Beamtentochter 65 Jahre alt.
Und wie immer ist unbekannt, wo Trockel sich gerade aufhält, was sie macht. Es gibt wenige Künstler, die so konsequent die Öffentlichkeit meiden wie Trockel. Sie gibt so gut wie nie Interviews und tut alles, um den Kameraobjektiven zu entkommen. Nur kurz tauchte sie 2016 in den Schlagzeilen auf, als ein Feuer in ihrer Kölner Villa nach Polizeischätzungen wohl einen hohen Schaden anrichtete.
Ihre künstlerischen Spuren aber hat Trockel jüngst sogar in einem Restaurant in Düsseldorf hinterlassen. Eigens für den Bar- und Restaurantbereich im traditionsreichen Künstlerverein "Malkasten" gestaltete sie einen 400 Quadratmeter großen und sehr bunten Teppich und entwickelte das gesamte Raumkonzept gleich dazu.
Europaweit, vor allem aber auch in den USA ist Trockel in Museen und Galerien seit Jahren präsent. Auf Auktionen erreichen ihre verrätselt-humorvollen Werke Millionenpreise. Bei einer Ausstellung in Bregenz erwartete eine lebensgroße Puppe mit wächsernem Gesicht und Lockenwicklern unter Plastik die Besucher. Gekleidet war sie mit schusssicherer Weste. Trockel zerstört radikal weibliche Klischees, und dafür jagte sie auch schon mal eine Küchenzeile mit Dynamit in die Luft. Oder sie modelliert Busen aus knallharter Keramik.
Trockel auf feministische Statements zu reduzieren, wäre zu kurzgegriffen. "Sie ist einfach eine Künstlerin im umfassenden Sinne, so wie es Marcel Broodthaers und Marcel Duchamp waren", sagt Markus Heinzelmann, Leiter des Museums Morsbroich in Leverkusen. In Leverkusen-Opladen ist Trockel aufgewachsen, und zum Museum Morsbroich hat sie eine besondere Verbindung. Dort waren ihre Werke schon oft zu sehen, und Heinzelmann weiß, wie es ist, wenn Trockel eine Ausstellung aufbaut.
"Sie ist unfassbar produktiv", sagt Heinzelmann. 2012 brachte Trockel ständig neue Werke für ihre Gemeinschaftsschau mit Paloma Varga Weisz mit. "Werke und Ausstellungen gehen bei ihr fließend ineinander über. Aber es raubt auch viel Kraft und Zeit", sagt Heinzelmann. Wenn man Trockel beim Aufbau einer Ausstellung erlebt, häufig im Zusammenarbeit mit anderen Künstlern, kommt die humorvolle und warmherzige Seite der völlig unprätentiösen Künstlerin zum Vorschein.
Trockel spielt mit den Erwartungen der Betrachter und führt sie raffiniert aufs künstlerische Glatteis, etwa wenn sie eine Couch naturgetreu aus steinharter glasierter Keramik nachbildet. Eine stabil aussehende Kiste ist bei ihr aus Schaumstoff. Ausgestopfte Vögel singen fröhlich. Ihre Kunst ist schwer zu fassen. "Jedes einzelne Werk sagt etwas aus und gleichzeitig sein Gegenteil", sagt Heinzelmann. "Sie ist eine Künstlerin, die sich immer wieder zurückzieht - als Person und als Künstlerin und auch mit jedem einzelnen Werk."
Zu Trockels Berühmtheit beigetragen hat das "Haus für Schweine und Menschen" auf der documenta 1997, das sie gemeinsam mit Carsten Höller entwarf. Trockel arbeitet gern mit anderen Künstlern zusammen. Für ihre ironisch-provokative Kunst wurde sie mit Auszeichnungen vom Goslarer Kaiserring bis zum Bochumer Peter-Weiss-Preis bedacht.
Begonnen hatte Trockel 1971 mit einem Lehramtsstudium in Anthropologie, Soziologie, Theologie und Mathematik, bevor sie 1974 bis 1978 an der Kölner Werkschule Malerei studierte. Auf Reisen in die USA lernte sie Künstlerinnen wie Jenny Holzer und Cindy Sherman kennen. Trockel bezieht auch politisch Stellung: So unterzeichnete sie einen Aufruf von in Köln lebenden Künstlern, Musikern und Autoren gegen sexuelle Gewalt und fremdenfeindliche Hetze nach der Kölner Silvesternacht 2015.