Robert Lippok, zusammen mit anderen Musikern des Elektro-Labels Raster treten Sie in der NGBK auf. Was erwartet uns beim "Raster.Labor"?
Das "Raster.Labor" besteht aus fünf beleuchteten Tischen, in die ein System aus analogen Modulen eingelassen ist. Jeder Künstler erhält den gleichen Satz von Geräten und ist eingeladen, auf dieser Basis eine Komposition zu entwickeln. Grundlage sind Steuerspannungen, kurze Impulse und Ströme, die bei Synthesizern zum Beispiel Noten und Filter triggern und beeinflussen, man kann damit aber auch Motoren oder Licht steuern. Ich fasse das bereitgestellte System als ein autopoietisches System auf. Autopoiesis, ein Begriff der aus der Biologie entlehnt ist, beschreibt charakteristische Organisationsmerkmale von Lebewesen. Die dort untersuchten Eigenschaften wie Beweglichkeit oder Reizbarkeit lassen sich auf musikalische Prozesse recht leicht übertragen. Die anderen Tische werden von Byetone & Mieko Suzuki, Dasha Rush Frank Bretschneider, Grischa Lichtenberger bespielt. Sie werden von einem zentralen Computer seriell in Bewegung gesetzt, vielleicht entsteht so eine minimale Symphonie aus den individuellen Teilen.
Neben der NGBK-Performance spielen Sie im Rahmen des CTM auch im Berghain – und zwar in einer Eishalle. Wird der Techno-Club zur Pirouetten-Bühne?
Man könnte Eis als eine Anti-Metapher zum diesjährigen CTM Motto "Persistence" sehen, existiert es doch eher in einer vorübergehenden Beständigkeit. Die Halle am Berghain wird für Veranstaltungen genutzt, die nicht in den normalen Clubkontext passen oder die einfach zu groß sind, um sie im Berghain zu realisieren. Vor einigen Jahren präsentierte Raster-Noton dort die Lichtinstallation White Circle, einen begehbaren Ring aus zum Klang programmierbaren Leuchtröhren. Eine Eisbahn in diese Räumlichkeiten zu bauen, ist natürlich eine großartige Volte, bricht es doch die hermetische, düstere Aura des Berghains auf. Das Publikum tanzt auf Schlittschuhen, dreht Pirouetten und fährt in Spiralen, fällt hin, steht wieder auf, trinkt einen Wodka und dann alles von vorne. Ich lege auf, und ich hoffe, das Vinyl verformt sich nicht bei den eisigen Temperaturen. Es wird eine Herausforderung sein, die richtige Musik zu spielen. Vielleicht wird der eine oder andere neue Track von mir zu hören sein, gemischt mit Italo Disco, Happy Hardcore und Bubblegum Bass.
Das Experimentieren und Selbermachen steht seit Ihren Anfängen mit der Band "Ornament & Verbrechen" im Zentrum Ihrer künstlerischen Praxis. Was reizt Sie am Amateurhaften, am Genial-Dilettantischen?
Die Aneignung von Techniken und Fähigkeiten, die ich nicht erlernt habe, hat immer großen Platz in meiner Arbeit eingenommen. So ist 1993 das erste Bühnen- und Kostümbild entstanden, ich hatte spontan eine Einladung des Opernregisseurs Sebastian Baumgarten angenommen und fand mich plötzlich konfrontiert mit Problemstellungen wie der Erstellung von technischer Zeichnungen, Auswahl von Stoffen, Akustik, Sichtlinien und so weiter. Unter Druck und zunächst überfordert zu sein, stellt einen gewissen Reiz für mich da. Oft entstehen die Dinge aus Improvisationen heraus, mit auch für mich überraschenden Ergebnissen. Amateur lässt sich von Amore ableiten, die Liebe zum Unfertigen, Flüchtigen ist über die Jahre geblieben. Irgendwann professionalisiert sich zwangsläufig die dilettantische Methode, vielleicht wechsle ich deshalb so oft die Genres und Medien, so habe ich gestern für das "Raster.Labor" Projekt eine Form aus Glas herstellen lassen. Ein Material, mit dem ich noch nie gearbeitet habe. Seit drei Semestern unterrichte ich, zusammen mit dem US-amerikanischen Performancekünstler Colin Self, an der New York Unviersity den Kurs "Experiments in the Future of Producing and Performance", bei dem es genau um diesen unvorbereiteten, spontanen Ansatz geht.
Bei "Raster.Labor" verwenden Sie analoge Hardware. Warum? Fällt das Experimentieren, das Arbeiten mit Ungenauigkeiten oder Fehlern angesichts der Digitalisierung schwerer?
Tatsächlich haben bei den verwendeten Modulen winzige Veränderungen eine große Wirkung. Nur einige Millimeter Unterschied einer Reglereinstellung verändern die musikalische Struktur rasant. Das Fehlen eines Speichers oder auch Total Recalls macht die Abläufe nicht zu 100 Prozent reproduzierbar. Jedes Mal unterliegt das System leichten Veränderungen, schon Temperaturschwankungen können sich auswirken. Analoge Schaltungen sind anfällig für Einstreuungen von Mobilfunksignalen oder Netzteilen, plötzlich entstehen Obertöne oder Hallfahnen, die man gar nicht hätte planen können. Mit "Raster.Labor" bewegt sich das Label zu den Ursprüngen von elektronischer Musik, Möglichkeiten und Varianzen zu finden innerhalb einer begrenzten Produktionsumgebung, so wie es in den 50er- und 60er-Jahren im Pariser Ircam Institut oder im Studio für elektronische Musik beim WDR in Köln geschah.
In der Ausstellung "World on Paper" im Palais Populaire in Berlin war kürzlich ein Kunstwerk von Ihnen aus den frühen 90er-Jahren zu sehen. Warum haben Sie Ihre Künstlerlaufbahn nicht weiter verfolgt?
Es sieht so aus, dass ich kurz davor bin, mit dem Zeichnen wieder anzufangen. Sicher werde ich nicht da anknüpfen, wo ich 1993 aufgehört habe, obwohl die Grafik, die im Palais Populaire hing, mir immer noch gefällt. Aber abgesehen davon fühlt es sich nicht so an, als hätte ich die künstlerische Seite meines Schaffens aufgegeben. Eher bestand nur selten die Notwendigkeit, in eine Galerie zu gehen. Das war von Zeit zu Zeit der Fall, wenn die Musik nach einer räumlichen Situation abseits von Konzerthallen und Clubs verlangte. So entstanden über die Jahre Klanginstallationen für das Lentos Museum Linz, die neue Nationalgalerie, anlässlich des Festival of Future Nows, oder für den Hamburger Bahnhof. Im Moment bereite ich mit dem Berliner Kurator Carsten Seiffarth eine Ausstellung in der Casa del Lago in Mexico City vor, mit dem argentinischen Künstler Lucas Gutierrez arbeite ich an einer Videoinstallation. Aber zuallererst wird am 25. Januar "Raster.Labor" in der NGBK Premiere haben.