New York (dpa) - Neo Rauch gehört zu den erfolgreichsten deutschen Künstlern der Gegenwart. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur erzählt der 54-Jährige, warum er die deutsche Teilung als «krank» empfand, wie er die Wende erlebte - und wie er den Mauerfall nicht erlebte.
Herr Rauch, Sie haben die ersten 30 Jahre Ihres Lebens in der DDR verbracht. Wie haben Sie den Mauerfall erlebt?
Um ehrlich zu sein: ich weiß es nicht. Es ist eines der Mysterien meines Lebens, dass ich mich an diesen Abend nicht erinnern kann.
Wie das? Haben Sie dem keine Bedeutung beigemessen?
Ganz im Gegenteil, das war ein großartiges Ereignis. Aber es ist einfach nicht da in meinem Kopf. Meine Frau sagt, wir hätten alles im Fernsehen gesehen. Aber ich bin mir nicht einmal sicher, ob wir damals noch einen Fernseher hatten. Ich kann mich an den Abend einfach nicht erinnern, und das steht in so scharfem Kontrast zu meinem Erleben der Zeit davor und danach.
Wie haben Sie Wende und Wiedervereinigung denn empfunden?
Als Befreiung, als große Befreiung. Es war die Richtigstellung eines kranken Zustandes. Da ist eine Fraktur geheilt worden, die nie hätte sein dürfen. Auch heute noch nach 25 Jahren berührt mich die Erinnerung an diese Zeit sehr.
Wie sehr haben Mauerfall und Vereinigung denn Ihre Arbeit geprägt.
Privat hat sich mein Leben natürlich sehr geändert. Aber künstlerisch... eigentlich gar nicht.
Wie, Sie glauben, Sie würden heute genau so malen, wenn es die DDR noch gäbe?
Ich habe mal meine ganzen Arbeiten Revue passieren lassen. Und da ist nach der Wiedervereinigung kein Bruch, keine Revolution. Nur Evolution. Ich kann deshalb nicht sagen, dass der Mauerfall meine Werke geprägt hat. Mein Leben ja, meine Arbeit nicht.
ZUR PERSON: Neo Rauch gehört weltweit zu den bekanntesten lebenden deutschen Künstlern. Der 1960 in Leipzig geborene Künstler hat Ausstellungen in vielen Ländern Europas und in den USA. Er gilt als einer der ersten und wichtigsten Vertreter der «Neuen Leipziger Schule», einer losen Gruppe ostdeutscher Maler. Rauch ist Schüler von Bernhard Heisig, der 1986 das Kanzlerporträt von Helmut Schmidt malte.
Neo Rauch über Mauerfall