Highlights der DC Open

Rheinisches Galerienwochenende

Ein Wochenende, 55 Galerien und mehr Kunst,  als ein Mensch sehen kann:  Hier kommen die Highlights aus dem Programm der DC Open

Auch wenn die Messe Art Düsseldorf der ehrwürdigen Art Cologne seit vergangenem Jahr ernsthaft Konkurrenz macht und das eine oder andere böse Wort zwischen den Beteiligten fiel: Die Galerien am Rhein wollen trotzdem zusammenhalten. Zum zehnten Mal laden sie vom 7. bis 9. September zum Galerienwochenende DC Open – gefeiert wird das Jubiläum mit einem Galadinner in der Grabbe-Halle der Düsseldorfer Kunstsammlung NRW. An Teilnehmern mangelt es nicht: Zählt man die junge Kooperation OKEY DOKEY dazu, ist ihre Zahl von zuletzt 51 auf immerhin 55 angewachsen.

Auf Düsseldorfer Seite ist zwar die Galerie Conrads nicht mehr dabei, und in Köln haben die Galerien Van der Grinten und Fiebach, Minninger abgesagt. Dafür gibt es in der Domstadt reichlich Ersatz: FALKO ALEXANDER, KLAUS BENDEN, CHOI & LAGER, NATALIA HUG, CHRISTIAN LETHERT, NAGEL DRAXLER, PARROTTA  CONTEMPORARY ART, RUTTKOWSKI 68, BENE TASCHEN und MARTINA
KAISER stoßen dazu.

Letztere möchte im Belgischen Viertel mit einem rheinisch verwurzelten Frauen-Trio auf sich aufmerksam machen. Die in Berlin und Köln lebende Leiko Ikemura ist mit entrückten Skulpturen von Frauengestalten und zarten Gemälden von Zwitterwesen seit Jahren erfolgreich. Sabine Moritz erkämpft sich allmählich einen Platz als Malerin neben ihrem Gatten Gerhard Richter. Katharina Jahnke lässt in ihren Fotocollagen aus alten Buchseiten so disparate Gebiete wie Architektur, Naturelemente und Tierkörper aufeinandertreffen.

Eine weibliche Position favorisiert direkt am Dom auch die GALERIE KARSTEN GREVE mit den fragilen Hängeinstallationen der Irin Claire Morgan. Nicht selten verwickeln sich Tiere in die Gebilde, ihr Leben hängt damit buchstäblich an seidenen Fäden. Mit Greve, der seit über 40 Jahren internationale Avantgarde nach Köln bringt, und der 1838 gegründeten GALERIE BOISSERÉE sind auch im Jubiläumsjahr die großen Kölner Traditionsgalerien beim DC-Open-Wochenende dabei – bei BOISSERÉE ist das grafische Werk des Meisters der Abstraktion Sean Scully zu sehen.

 

Am Hauptbahnhof vorbei geht es weiter zu ROB TUFNELL. Die Zweiträume des Londoners sind Gastgeber einer besonderen Katzenschau. Hier geht es nicht um Internet-Filmchen: Das Spektrum der Künstler, die sich von E.T.A. Hoffmanns satirischem Roman "Lebens-Ansichten des Katers Murr" inspirieren ließen, reicht von dem sozialkritischen Karikaturisten William Hogarth bis zur eremitischen Konzeptkünstlerin Hanne Darboven.

Ein Faible für deutsche Kultur hat auch der 1979 geborene Franzose Raphaël Denis. Seine Werke tragen Titel wie "Vernichtet", "Mehr Licht!!!" oder "Regelbau". Der Titel seiner Schau bei der GALERIE MARTIN KUDLEK gibt sich ähnlich vergrübelt. Hinter "Versuche aus der Literatur und Moral" verbirgt sich eine Installation aus Metallregalen mit jeder Menge verkohlt wirkenden Büchern. Beim genaueren Hinsehen erweisen sie sich als Attrappen, die keinerlei Wissen zu bieten haben.

Was die Auslöschung des kulturellen Gedächtnisses bewirkt, darauf könnte Paul Owen Weiner eine Antwort parat haben. Er sorgt in der KRUPIC KERSTING GALERIE etwas außerhalb der Stadtmitte, aber dafür in pittoresker Ufernähe des Rheins für einen harten Schnitt in die Jetztzeit. Der 1993 geborene Amerikaner zeigt schwarz getränkte US-Fahnen oder Leinwände, die scheinbar mit Zensurbalken übersät sind. Seine düstere Malerei lässt sich wahlweise als spätromantische Ode an den Untergang lesen oder schlicht als Kommentar auf die misshandelte Demokratie unter Trump.

Zurück zum Galerien-Epizentrum rund um die Buchhandlung Walther König, wo GISELA CAPITAIN eine Soloschau von Monika Sosnowska präsentiert. Die Spezialität der Polin sind architektonische Eingriffe. Ihre skulpturale Präzision konnte sie 2007 auf der Venedig-Biennale unter Beweis stellen, mit dem Stahlgerüst eines polnischen Fertighauses aus den 60er-Jahren, das sie auf wundersame Weise in den polnischen Pavillon hineinquetschte. "Urban Flowers", der Titel der Kölner Schau, verweist auf architektonische Gebilde, die Sosnowska in Bangladesch mitten in der Stadtlandschaft entdeckt hat. Sie ähneln eingefrorenen Blumen aus Stein.

Einige Straßenecken weiter lädt PRISKA PASQUER zur "Triple Expansion" ein. Hier wuchert nicht die Natur, sondern die Lust an der Grenzüber­schreitung. Ausgehend von Skulpturen und Gouachen des Konzeptkunst-Meisters Sol LeWitt, versuchen sich die in den 70ern geborenen Künstlerinnen Jane Benson und Elena Bajo an weiteren Transformationen. Die Britin Benson zerschneidet Flaggen und zertrümmert Saiteninstrumente oder kopiert Essays der Frauenrechtlerin Mona Caird, um diese dann per Schere auf die Silben do, re, mi, fa, so, la, ti, do zu destillieren. Das Ergebnis ist eine Partitur, "deren Tonfall", so die Künstlerin, "die verdrängte Geschichte der Frauen erfasst". Der Referenzrahmen der Spanierin Bajo umfasst Feminismus, Anarchismus, Ökologie und Politik. Bajo füllt die Räume mit einer großen Installation aus Stoffen und garniert sie mit einer Performance, die sämtliche Stränge der Dreierkonstellation zusammenführen soll.

Wer sich mal in der Rolle eines lebenden Kunstwerks versuchen möchte, ist wenige Schritte die Albertusstraße runter bei BRIGITTE SCHENK richtig. Sie lässt das brasilianische Künstlerkollektiv Opavivará! einfliegen, das den Betrachter spielerisch in seine Interventionen integriert. Neben dem Material Mensch kommen noch Schubkarren, Kinderwägen, Rollstühle und andere Fortbewegungsmittel zum Einsatz. In der Tate Liverpool, auf der Taipeh-Biennale und im "Unlimited"-
Sektor der Art Basel haben die Brasilianer bewiesen, dass sie den öffentlichen Raum mit Witz unter Kontrolle bringen können – womit in Kölle ja nichts schiefgehen kann.

Zurück zur Skulptur begibt man sich rheinabwärts bei den Düsseldorfern SIES + HÖKE. Die Briten Gilbert & George haben als wandelnde Plastiken nicht nur den Gattungsbegriff erweitert. Sie beeinflussten, so die These der Ausstellung "Lebendige Skulpturen", auch die rheinischen Künstler Sigmar Polke, Gerhard Richter und Konrad Lueg. Bereits 1963 kooperierten Lueg und Richter, um aus Pappmaschee Abbilder des Galeristen Alfred Schmela und des US-Präsidenten John F. Kennedy anzufertigen. Nur wie passt Polkes "Kartoffelhaus" von 1967 mit den performenden Gentlemen zusammen? Wenn schon die skulpturalen Konzepte divergieren, der humorvolle Umgang mit den eigenen Ideen verbindet auch diese Herren allemal.

Wer von der Carlstadt zu einem Ausflug an die Ränder der Landeshauptstadt bereit ist, trifft bei UTE PARDUHN auf ein weiteres Quartett, das sich der Erforschung der Skulptur verschrieben
hat. Berta Fischer, Thomas Schütte, Ursula Ott und Paloma Varga Weisz lassen sich in keinen gemeinsamen Topf werfen. Aber vielleicht können sie den einen oder anderen gemeinsam gestalten?

Bei Gregor Schneider, Spezialist für abgründige Raum­installationen, darf man diesmal hinter die Kulissen blicken: Unter dem Titel "Nacht und Tag" zeigt er in der KONRAD FISCHER GALERIE einen Nachbau seines Ateliers.

Mit Natalie Czech zieht die GALERIE KADEL WILLBORN im Stadtteil Flingern ebenfalls die Verbindung zur Poesie. In ihren "Poet’s Questions" geht es um Fragen, die sie Gedichten entnommen hat. Die Antworten liefern alltägliche Gegenstände. So beantwortet Czech die von US-Performancekünstler und Dichter David Antin stammende Frage "How long ist the present?" mit einem Plattencover von David Bowie. Noch ein Brite.

 

Und was wohl die 1984 geborene Londonerin Eleanor Wright nach Düsseldorf verschlagen hat? Der drohende Brexit oder der exquisite Unterricht bei Rita McBride an der Düsseldorfer Kunstakademie? In der GALERIE PETRA RINCK zeigt sie sich mit Aufnahmen aus Athen als Liebhaberin anachronistischer Shoppingcenter, die trotz Leerständen und einer mehr als schwierigen ökonomischen Situation hartnäckig der modernistischen Architektur vergangener Jahrzehnte nacheifern.

Was auch den ausgebildeten Architekten Apostolos Palavrakis bei BECK & EGGELING interessieren könnte. Er setzt Modelle aus Versatzstücken realer Architekturen zusammen. Die Funktio­nalität der ursprünglichen Konstruktion ist zwar dahin. Was bleibt, ist das ferne Echo der zukunftsoptimistischen
Moderne und das kühle Strahlen der sich selbst genügenden Form.