Die Instant-Befriedigung, ein Foto zu machen und sofort zu sehen, ist seit der Erfindung der Digitalkamera und besonders in der Smartphone-Ära ein Alltagsgefühl geworden. Der Moment ist noch warm, wenn er sich als Bild manifestiert. Zum ersten Mal in der Mediengeschichte ermöglichte die Polaroid-Kamera diese kaum verzögerte Verknüpfung zwischen Situation und Abbild. Noch heute haftet den kleinen, weiß gerahmten Bildchen aus den klobigen Apparaten etwas Authentisch-Sehnsüchtiges an, das auch Digital Natives fasziniert.
Im Fotozentrum C/O Berlin ist gerade ein Blick ins Polaroid-Archiv der Fotografin Linda McCartney (1941–1998) zu sehen, die das damals noch recht junge Medium in den 1970er-Jahren für sich entdeckte und als künstlerisches Experimentierfeld und visuelles Tagebuch (aus heutiger Sicht fast instagramig) benutzte. Die gebürtige US-Amerikanerin wurde vor allem mit ihren Musiker-Porträts bekannt und war 1968 die erste Frau, die ein "Rolling Stone"-Cover (mit Eric Clapton drauf) fotografierte. Bei einem Pressetermin lernte sie auch ihren späteren Ehemann, den Beatle Paul McCartney, kennen.
Ein wenig unentschieden
Die von der Familie der jung verstorbenen Künstlerin mitkuratierte Ausstellung ist eine Mischung aus einem Blick hinter die Kulissen des Musikbetriebs (Weltstars jammen in Hausschuhen) und einer warmfarbigen Familienidylle mit hübschen Eheleuten, hübschen Kindern und quality time in malerischen schottischen Landschaften. Dabei wirkt die Schau ein wenig unentschieden, weil sie die Polaroids eben doch nicht als eine Anhäufung von Momenten akzeptiert, sondern sie einzeln prominent gerahmt an den Wänden aufreiht. Die im Text zur Ausstellung betonte Spontaneität in McCartneys Werken marschiert hier geordnet auf und verlangt ein geradliniges Abschreiten und Anschauen.
Am Eingang der Räume hängen eine von Linda McCartneys frühen Cyanotypien und eine Serie von Bildern, die sie aus fahrenden Autos aufgenommen hat – und beim Verlassen des Hauses bleibt der Eindruck, dass man durch diese Arbeiten noch am meisten über die Praxis der Foto-grafin erfahren hat, will man sie nicht als eine Sammlerin von Momenten abstempeln.
Es ist schön, einer Künstlerin zu begegnen, die ihre Partner- und Mutterschaft wie selbstverständlich in ihr Schaffen einbringt und das Sujet Familie offenbar für genauso wichtig hält wie die Berühmtheiten der Unterhaltungswelt. Doch die Polaroids sind ein wenig zu kernig-pittoresk und homogen, um wirklich erkennen zu lassen, was Linda McCartney von ihrem Medium wollte. Vor allem wenn man den Kontrast zur zweiten Ausstellung im C/O erlebt. Ein Stockwerk höher zeigt das Werk von Francesca Woodman die ganze Abgründigkeit und Komplexität der Fotografie.