Gruppenschau in Baden-Baden

American Nightmare

Im Museum Frieder Burda in Baden-Baden zeigt "America! America!" die USA als Albtraum

Schon im Eingangsbereich des Museums Frieder Burda in Baden-Baden begegnet man einer mahnenden Aufforderung: "Think", steht auf einer Flagge der USA und ersetzt damit die 50 Sterne der Bundesstaaten. William N. Copley wandte sich mit "Imaginary Flag for USA" 1972 gegen Patriotismus, Selbstgefälligkeit und Lügen im Zuge des Vietnamkrieges. Die Ausstellung "America! America!" kreist mit rund 70 Werken aus den letzten 50 Jahren um die dunklen Seiten des amerikanischen Traums, die wir heute wieder vor Augen haben: Sexismus, Rassismus, Militarismus.

Im ersten Saal kontrastieren gleich Warhols Siebdrucke von Schwerverbrechern und dem elektrischen Stuhl mit den schimmernden Oberflächen, von denen es in der Ausstellung einige gibt. Doch auch ohne den kuratorischen Überbau ist das Strahlen der Werke von Pop-Art-Stars wie Roy Lichtenstein, James Rosenquist und Tom Wesselmann ambivalent. Genau wie die stummen, sinnentleert scheinenden Menschendarstellungen von Alex Katz und Eric Fischl.

Auf den ersten Blick scheinen auch die Datumsbilder der "Today"-Serie (1966–2013) von On Kawara leer zu sein, diese laden sich allerdings durch dazugehörige Zeitungsausschnitte mit Bedeutung auf. In Robert Longos technisch präzisen Kohlezeichnungen werden Zeitungsbilder oder Fotos eines Revolverlaufs, des Anschlags auf das World Trade Center oder der Explosion einer Atombombe in enorme Formate übertragen, die durch ihre starke Präsenz verstörend und faszinierend zugleich wirken.

Mit "VB 55-01" (2005), den Fotografien von Vanessa Beecroft, darf man auch an das aktuelle Schlagwort #metoo denken. Beecroft sortiert in diesem Triptychon die nur mit einer durchsichtigen Strumpfhose bekleideten Frauen nach Haarfarben und fotografiert sie in Gruppen. Strategien der Medien und die Logik der Macht werden in diesen Arbeiten plakativ bis aufs Äußerste getrieben. Und wenn Cindy Sherman sich in die Jungfrau Maria oder eine Sexpuppe verwandelt, werden Weiblichkeitsbilder fotografisch inszeniert und durchgespielt.

Mit den USA verbinden wir das Versprechen von Wohlstand und Fortschritt, der Abgleich mit der Realität ist schmerzhaft. Die Lehre der gut gemachten Ausstellung: Neu denken ist das Gebot der Stunde.