Die Bronzekugel des Bildhauers Fritz Koenig zierte 30 Jahre lang den Platz vor dem World Trade Center in New York. Bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurde sie unter den Trümmern verschüttet und später geborgen. Aus Sicht vieler New Yorker wurde die Skulptur damals zum Symbol für das Wiederauferstehen ihrer Stadt. Verwundet, aber nicht zerstört. Zwei Ausstellungen in New York und in Koenigs Heimatstadt Landshut erinnern ab Freitag (10. September) anlässlich des 9/11-Jahrestages an die Geschichte der "Großen Kugelkaryatide" und ihrer geradezu wundersamen Rettung.
Die "Kugel", auch bekannt als "The Sphere", ist das berühmteste Kunstwerk Koenigs. Ein Auftragsarbeit der New Yorker Hafenbehörde, der Eigentümerin des World Trade Centers. Vier Jahre lang arbeitete der Bildhauer an seinem 20 Tonnen schweren und knapp acht Meter hohen Werk. Von Niederbayern aus wurde die monumentale Plastik nach Bremen gebracht und von dort nach New York verschifft. Seit 1971 stand sie in einem Brunnen auf der repräsentativen Plaza vor den markanten Zwillingstürmen. 30 Jahre später brachte der Terror Zerstörung und Leid in die stolze Stadt und gab der Skulptur eine tiefere Bedeutung.
"Die Kugel wurde zum Opfer und zum Denkmal. Das ist einzigartig in der Geschichte der Kunst", sagt Alexandra von Arnim, Leiterin des Koenigmuseums in Landshut. Für die Ausstellung zu 9/11 hat sie internationale Künstler ausgewählt, die Originalrelikte der Anschläge oder zeithistorische Dokumente zu Kunstwerken verarbeitet haben. Darunter sind Beate Passow, die die Aktienkurse des 12. September 2001 auf Rohseide gestickt hat, Monika Bravo, die am Vorabend des Anschlages ein Video aus einem Fenster eines der Türme drehte, sowie die Blue Man Group, die Originalpapiere aus den eingestürzten Büros zu einer bewegenden Video-Kunstinstallation verarbeitete.
TV-Dokumentation zeigt die bewegende Geschichte
Wichtiger Teil der Ausstellung, so Alexandra von Arnim, ist die TV-Dokumentation "Koenigs Kugel" von Regisseur Percy Adlon. Der Münchner Filmemacher, der in Kalifornien lebt und mit Koenig befreundet war, hatte diesen nach den Anschlägen zweimal nach New York begleitet. Dort war Koenig dabei, als seine "Kugel" von Arbeitern aus den monströsen Schuttbergen geborgen wurde. Koenig ist spürbar zerrissen, weil sein Kunstwerk im Vergleich zum Ausmaß der Zerstörung so klein ist und ihm dennoch so sehr am Herzen liegt. "Ich geniere mich ein bisserl", sagt Koenig.
Die Arbeiter, die die Skulptur für den Abtransport zerlegten und sechs Monate später wieder zusammensetzten, hätten Koenig anfangs ein wenig belächelt, erinnert sich Adlon im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Als Koenig Anfang März 2002 ein weiteres Mal in New York war, hatte er ein Mini-Modell seiner Plastik dabei. Er sprach kaum Englisch, aber mit Händen und Füßen und mit dem Modell habe er den Männern erklärt, wie die «Kugel» wieder zusammengesetzt gehört. "Mit Handwerkern umgehen, das war seine Welt", sagt Adlon.
Koenig habe einmal zu ihm gesagt: "Du bist ein Filmemacher. Und ich bin ein Sachenmacher." Diese Bescheidenheit sei typisch für Koenig gewesen. Und dennoch habe es ihn mit Stolz erfüllt, dass er "The Sphere" für das World Trade Center habe erschaffen dürfen und dass die Skulptur schließlich ein Denkmal geworden sei. Zugleich habe sich Koenig in gewisser Weise mitschuldig an den Anschlägen gefühlt - weil die vor den Türmen stehende, glänzende Kugel Teil dessen war, was die Terroristen angelockt habe.
Die Bronze-Plastik war sechs Monate nach den Anschlägen anlässlich eines Gedenkaktes im Beisein Koenigs im Battery Park wieder aufgestellt worden. Seit August 2017 steht "The Sphere" am 9/11-Memorial neben dem neu errichteten World Trade Center. Die Rückkehr seiner "Kugel" an ihren alten Standort hat Koenig nicht mehr erlebt: Er starb im Februar 2017 im Alter von 92 Jahren.