"Ich glaube, ihr hättet tatsächlich gerne, dass wir nicht existierten. Es wäre euch lieber, wir wären nicht hier gewesen, als ihr kamt". Den Worten der indigenen Künstlerin und Filmemacherin Patrícia Ferreira Pará Yxapy würde Jair Bolsonaro vermutlich nicht einmal widersprechen: Seit seiner Wahl zum brasilianischen Präsidenten 2018 wird indigenen Völkern wie den Guarani, denen die Künstlerin angehört, die Lebensgrundlage zunehmend entzogen. Ihr Land wird der Agrarlobby zur Ausbeutung überlassen.
Die Ausstellung "A Guarani Woman in Search of the Land without Evil", die im Rahmen des Forum Expanded der Berlinale in der Savvy Contemporary Berlin eröffnet wurde und noch bis zum 15. März zu sehen ist, befasst sich mit der "Jeguatá" der Künstlerin und ist zugleich Teil davon. "Jeguatá" bezeichnet auf der Sprache der Guarani die Suche nach einem "Land ohne Übel" und bildet den roten Faden, an dem sich die Ausstellung entlang bewegt. Ein jeder kann diese Suche so bewältigen, wie er oder sie will: Bus, Boot, Auto oder eben auch zu Fuß. Ein irdisches Paradies, in dem die Guarani, die in Argentinien, Bolivien, Brasilien und Paraguay ansässig sind, nicht durch Landesgrenzen auseinander gerissen werden und von der Natur entfremdet leben müssen, ist das Ziel der mystischen Reise.
Fotografie, Videoinstallationen, Malerei und traditionelle Schnitzerei und Stickerei geben dabei in der Ausstellung die zwölf Briefe der Künstlerin wider, die sie während der Reise geschrieben hat: Diese unterteilen die Ausstellung und sind teilweise an ihr Volk, teilweise an Nicht-Indigene adressiert. Auf behutsame Weise bieten die unterschiedlichen Abschnitte einen intimen Einblick in ihre Jeguatá und ihre Empfindungen und Erfahrungen als indigene, weibliche Person – oft mit Blick auf ihre eigene Mutter. Die Aufnahmen, in denen diese stetig arbeitend und Mate-Tee trinkend am Feuer sitzt und zwischendurch kommentarlos ihre Tränen unterdrückt, lassen den seelischen und physischen Schmerz erahnen, von dem auch Patrícia Ferreira Pará Yxapy in ihren Briefen spricht.
Gratwanderung zwischen Intimität und Eindringen
Die Tatsache, dass Ferreira Pará Yxapy eine von nur drei indigenen Filmmacherinnen in ganz Brasilien ist, macht die Unterrepräsentation deutlich. Doch sie weiß ihre Kamera als politisches Instrument einzusetzen, um den despektierlichen Umgang der Regierung und die Marginalisierung der indigenen Völker in Brasilien in den öffentlichen Diskurs zu bringen– ganz ohne wütende Polemik. Stattdessen macht sie mit ihren Aufnahmen von ihrem Volk und von sich selbst auf eindringliche Weise deutlich, wie fatal die Ausbeutung der Natur für das Leben der Guarani ist.
Im vierten Brief wird das Heimatdorf der Künstlerin, São Miguel das Missões, gezeigt. Kinder spielen im Wald und kultivieren Land, ein älterer Einwohner spielt in einer Videoaufnahme voller Andacht eine heilige Musik auf einem Guarani-Instrument, die die Ausstellungsräume durchdringt. Sie darf eigentlich nur von Guarani gehört werden - hier haben die Künstlerin und die Kuratorin Anna Azevedo eine knappe Gratwanderung zwischen Intimität und Eindringen gewagt.
Laut werden für Gerechtigkeit
Ganz klischeefrei bleibt die Schau mit ihren Darstellungen des abgelegenen Dschungeldorfes und seinen Bewohnern nicht, doch sie meistert den Verzicht auf den altbekannten eurozentrischen Blick und veranschaulicht, dass Indigene keineswegs Folklore sind, sondern vielfältig, modern und engagiert: Das zeigt auch die Videoinstallation des zehnten Briefes: Im Süden von São Paulo erheben junge Guarani in ihren Rapsongs- und Videos ihre Stimme gegen die Vertreibung im Namen der Landwirtschaft.
Was dann zurückbleibt, ist nämlich nur vergiftete Erde: Die heißt auf Guarani "Teko Haxy". Der gleichnamige, 40-minütige Film am Ende der Ausstellung zeigt Dialoge zwischen der Künstlerin und der nicht-indigenen Künstlerin und Anthropologin Sophia Pinheiro und bringt dem Zuschauer durch viel Intimität näher, was in der Ausstellung teils mehr theoretisch vermittelt wurde: Welche Konsequenzen strukturelle Probleme für indigene Völker haben können und dass Indigene auf immer neue Weisen laut werden müssen, um Gerechtigkeit zu erreichen.