Film über Oskar Kokoschka und Alma Mahler

Raus aus dem Puppenhaus

Toxisch geht es zu im Atelier: Das Biopic "Alma und Oskar" spürt einer der vielen Amour fous der Wiener Kunstszene um 1900 nach - und verliert vor lauter Sex & Crime die ambivalente Emanzipationssuche einer Frau aus dem Blick, die der Moderne ihren Stempel aufdrückte

Sie war mit dem Komponisten Gustav Mahler, dem Architekten Walter Gropius und dem Schriftsteller Franz Werfel verheiratet. Zwischen der ersten und zweiten Ehe war die Künstlertochter Alma Schindler drei Jahre lang die Geliebte des Malers Oskar Kokoschka und außerdem Freundin oder Salongefährtin fast der gesamten schreibenden und komponierenden Wiener Prominenz vor und nach dem Ersten Weltkrieg. "Mit eisernen Klauen kralle ich mir den Weg zu meinem Nest empor. Jedes Genie ist der rechte Halm für mich, an den ich mich klammern kann, die rechte Beute, mein Nest mit ihm zu schmücken", schrieb sie auf dem Höhepunkt ihres unsteten Lebens in ihr Tagebuch.

Selbstverräterische Einträge wie diese, die sie 80-jährig für ihr 1960 veröffentlichtes Memoirenwerk "Und die Brücke ist Liebe" nutzte, konnten ihr längst betoniertes Image einer männerverschlingenden Femme fatale der Wiener Secession nicht gerade zerstreuen. Erst jetzt ändert sich der Blick auf eine an ihrer Entfaltung gehinderte Frau, die zur Meisterjägerin mutierte, um ihr eigenes Verlangen nach Größe und Anerkennung zu stillen.

Dabei teilte sie sich als Jugendliche ihren Wiener Kompositionslehrer Alexander von Zemlinsky noch mit Arnold Schönberg. Während dieser zum Musikrevolutionär aufstieg, musste sich die junge Alma mit der Rolle der fachkundigen Gattin des um Jahrzehnte älteren Komponisten Gustav Mahler begnügen, der ihr eigenes Schaffen als schädlich für seine Karriere erachtete. Gut genug war sie nur, wenn es darum ging Notizen zu machen, seine Auftritte zu koordinieren und Anweisungen für die Orchester zu nehmen. Hier setzt der Film "Alma und Oskar" des 78-jährigen Regisseurs Dieter Berner an. Der Österreicher hat eine Schwäche für Künstlerbiografien. 2016 verfilmte er bereits das Leben von Egon Schiele als gediegenes Erotik-Drama, in dem die Eifersucht der Akteure die Handlung zur Katastrophe des Ersten Weltkriegs hin peitschte.

Zum Klischee erstarrte Ingredienzen einer Amour fou

Ähnlich verfährt auch "Alma und Oskar", nur dass diesmal eine kühl abwägende Frauenfigur, die "niemandes Schoßhund" sein will, den Takt vorgibt. Wenn sie schon nicht selbst kreativ sein darf, kompensiert sie die Demütigung ihres Geschlechts mit einer schillernden Ansammlung ehrgeiziger Männer. Gleich am Anfang erleidet Mahler den Herztod, als er einen Brief seines Rivalen Gropius entdeckt. Dieser glaubt sich am Ziel, doch Alma lehnt eine Heirat ab. Als Witwe des international erfolgreichen Komponisten kann sie Kontakte knüpfen, die ihr eigenes Fortkommen als Komponistin erleichtern könnten. Die Totenmaske fertigt der junge Allrounder Oskar Kokoschka an. Ihm eilt bereits der Ruf eines Skandalkünstlers voraus, der seine um den Kampf der Geschlechter kreisenden Tanzstücke im Freien aufführt und auch vor aus dem Ruder laufenden Gewaltorgien nicht zurückschreckt.

Alma erkennt sofort sein Potenzial und wittert die Chance, mit dem auffällig hypernervösen Bohemien selbst in die Kunstgeschichte einzugehen. Es folgen die üblichen, längst zum Klischee erstarrten Ingredienzen einer Amour fou: rasende Eifersucht, wilder Sex, Geschrei, Schläge, Vergewaltigung, Fehlgeburt, Trennung und Versöhnung.

Das emotionale Durcheinander inspiriert Oskar zu Meisterwerken, während sich Alma alle Optionen offenhält, von einer Verlobung mit dem überkontrollierten Gropius, der als Architekt Frauen mangelndes Raumempfinden attestiert, bis zu der Beziehung zu einer an Männern nicht interessierten Mäzenin, die alle ihre Projekte finanziert und am liebsten mit der Freundin nach Indien durchbrennen möchte. Auch an Oskar hält Alma fest, solange seine Gemälde von Museen angekauft werden und Galeristen seine Arbeitsweise mit der Kamera festhalten, um sie besser potenziellen Sammlern näher bringen zu können.

Emily Cox als Alma its eine Sensation

Der "Energieaustausch", wie Oskar seine Abhängigkeit von Alma missversteht, findet mit dem Kriegsausbruch ein Ende. Seine Karriere stockt, was Alma als fehlenden Leistungswillen interpretiert. Sie ist gelangweilt und sucht nach neuen Objekten für ihren Ehrgeiz. Dann fällt Oskar an der Front. In Wirklichkeit versteckt er sich schwer verletzt in Dresden in einer Heilanstalt und lässt lebensgroße Puppen nach Almas Vorbild anfertigen. Später wird er mit einer von ihnen in einem Theaterstück auftreten – Grund genug für Alma, auf einen Triumph zu hoffen, bis sie nach der Premiere merkt, dass ihre keinen Widerspruch anmeldende Kopie sinnbildlich für Oskars Wunsch steht, sie für seine Bedürfnisse zu versklaven.

Emily Cox spielt ihren Part mit überzeugender Zielgerichtetheit. In ihrem Umfeld verblassen alle Männerfiguren zu bemitleidenswerten Statisten. Sie ist die Sensation in einem nach abgestandenen Mustern konstruiertem Kostümdrama, das lieber die Eskalationsspirale einer übergriffigen Beziehung bedient als den Schwerpunkt auf Almas gescheiterte Versuche einer künstlerischen Selbstbehauptung zu legen. Szenen wie diese, als sie bei den Proben zu Mahlers posthum uraufgeführter Symphonie dem ignoranten Dirigenten den Taktstock aus der Hand reißt und die Führung übernimmt, hätte man sich mehr gewünscht.

Was sie eigentlich als Salondame, die selbst den Thronfolger in Kunstfragen beeinflussen konnte, erfolgreich machte und wie die alltägliche Frauenverachtung ihr egozentrisches Verhalten prägte, spielt leider nur am Rande eine Rolle. Almas überlieferter Antisemitismus kommt gar nicht erst vor. Zurück bleibt das Bild einer ihre Freiheit über alles stellenden Beinahekünstlerin, die zumindest in der Wahl ihrer Liebhaber stets Recht behielt.