Alison Gingeras, Sie kuratieren eine neue Sektion auf der Frieze London mit dem Titel "Sex Work". Was erwartet uns dort?
Es gibt Präsentationen zu neun Künstlerinnen, deren Werk an den Extremen der feministischen Kunstpraxis der 70er- und 80er-Jahre angesiedelt ist: Betty Tompkins, Renate Bertlmann, Birgit Jürgenssen und andere. Sie kamen aus Polen oder Österreich, Großbritannien oder New York. Aber sie vereint eine explizit sexuelle Ikonografie, kombiniert mit einer politischen Agenda.
Warum beschäftigten sich gerade die Künstlerinnen so häufig mit dem Körper und der Sexualität?
"Müssen Frauen nackt sein, um ins Museum zu kommen?", fragten die Guerrilla Girls in den 80ern. Die Antwort lautete: Ja. Im Motiv des weiblichen Aktes ist die ganze Frauenfeindlichkeit des kunstgeschichtlichen Kanons konzentriert. Frauen durften keine professionellen Künstler werden, weil sie nicht an den Aktzeichnungsklassen teilnehmen durften – es sei denn, als nackte Modelle. Vielleicht liegt hier ein unbewusster Grund dafür, dass Künstlerinnen sich das Bild des nackten weiblichen Körpers aneignen wollten und in eine Kraftquelle für ihre eigene Kunstpraxis umwandeln.
Waren die Frauen in den 70ern und 80ern wagemutiger als die männlichen Kollegen?
Man sah das so, vor allem angesichts der Hindernisse, die ihnen in den Weg gelegt wurden. Sie nahmen ein viel größeres Risiko auf sich.
Ist ihre Kunst heute ökonomisch unterbewertet?
Absolut.
Was bedeutete das für die Galerien, bei denen sie ausstellten?
Lange gab es keine große Nachfrage nach radikaler feministischer Kunst. Viele Galerien, die sie ausstellten, hatten auf dem Markt und mit dem Publikum sehr zu kämpfen. Einige Galerien, die ich eingeladen hatte, konnten an der Frieze nicht teilnehmen, weil sie die finanziellen Mittel nicht haben. Ich habe auch die erste Non-Profit-Galerie, die 1972 von Künstlerinnen gegründet wurde, eingeladen, eine Präsentation zu ihrer Geschichte zu zeigen: A.I.R. aus New York. In den letzten 50 Jahren hat A.I.R. Künstlerinnen gezeigt, die vom sonstigen Kunstbetrieb ausgeschlossen waren, darunter Judith Bernstein, Louise Bourgeois, Agnes Denes, Mary Beth Edelson, Ana Mendieta, Howardena Pindell, Sylvia Sleigh und Nancy Spero.
Welche Rolle spielt feministische Kunst heute im Kunstmarkt?
Ich bin Kuratorin, keine Kunstmarktexpertin. Aber ich habe beobachtet, dass Museen zunehmend die feministische Kunst und bislang übersehene Künstlerinnen in ihre Ankaufspolitik einbeziehen. Solch eine Anerkennung durch Institutionen inspiriert normalerweise auch private Sammler. Falls das ein Indikator ist: Ich bekomme privat immer mehr Anfragen von privaten Sammlern, die sich bei mir über feministische Künstlerinnen informieren wollen. Vielleicht kommt die feministische Kunst ja endlich zu ihrem Recht.