Massive Holzbalken stapeln sich auf dem Boden, ihre Enden in verschiedene Richtungen gestreckt. Die Anordnung der langen Hölzer wirkt beiläufig, wie beim Mikado hingeworfen. Nähert man sich ihnen, ist ein dumpfes Surren und Vibrieren zu vernehmen, ausgelöst von einem in die Balken integrierten Audioloop. Das Werk mit dem Titel "Listening is making sense" (2012) stammt von dem italienischen Künstler Michele Spanghero und ist Teil der 16. Quadriennale d'Arte, die derzeit im Palazzo delle Esposizioni in Rom zu sehen ist.
Was die Arbeit von Spanghero hier vom Besucher einfordert, lässt sich leicht auf die gesamte Ausstellung übertragen: Die zeitgenössische Kunst will auch im klassikverliebten Italien besser gehört werden. Nachdem die 1927 als Stiftung zur Förderung der italienischen Gegenwartskunst gegründete Quadriennale di Roma ihre Ausstellung 2012 aus Mangel an Fördergeldern absagen musste, kehrt sie nun mit "Altri tempi, altri miti" (zu deutsch "Andere Zeiten, andere Mythen") in den neoklassizistischen Ausstellungspalast an der Via Nazionale zurück. In zehn verschiedenen thematischen Sektionen, bespielt von elf jungen Kuratoren, versucht die Schau einen Überblick über das Kunstschaffen Italiens der letzten 15 Jahre zu geben.
Die Themen der Quadriennale sind vielfältig, der Post-Internet-Kunst wird mit "Cyphoria" (kuratiert von Domenico Quaranta) genauso eine Sektion gewidmet wie der Porträtkunst ("Ehi, voi!", kuratiert von Michele D’Aurizio). Viele Ausstellungsprojekte nehmen direkten Bezug auf Italiens Geschichte, wie etwa Luigi Fassi, der mit "La democrazia in America" eine Relektüre von Alexis de Tocquevilles gleichnamigem Essay vorschlägt: Die gezeigten Werke übertragen Schlüsselgedanken des französischen Politikers und Denkers, wie die Beziehung zwischen Freiheit und Gleichheit, auf das zeitgenössische Italien.
Die vielen Filme und textlastigen Werke lohnen die investierte Zeit: zum Beispiel für die kluge Videoarbeit "Agency – Giochi di potere" der 1985 geborenen Künstlerin Adelita Husni-Bey, die Schüler eines römischen Gymnasiums für drei Tage in einer Art sozialem Rollenspiel eine Wahlkampagne simulieren lässt. Das Ergebnis führt dem Betrachter die Machtstrukturen unserer kapitalistischen Gesellschaft vor Augen und hätte Tocqueville sicher gefallen.
Etwas zugänglicher als "La democrazia in America" ist Simone Ciglias und Luigia Lonardellis Projekt "I would prefer not to", eine Parabel auf die Lage des Künstlers, der heute zwischen Selbstverwirklichung und Selbstausbeutung versucht, dem Druck eines zunehmend seelenlosen Kunstbetriebs standzuhalten. Warum sich also nicht dazu entscheiden, mal keine Entscheidung zu treffen?
Wenn das in Paris ansässige Künstlerkollektiv Claire Fontaine in großen Neonbuchstaben das Wort "Nope" über dem Ausstellungsbereich thronen lässt, ist das genauso Ausdruck dieser Verweigerung wie eine Geste des 1979 geborenen Matteo Fato: Sein großformatiges Ölgemälde "Senza titolo con Quattro Esercizi Equestri" hat der Künstler für die Präsentation in der Ausstellung einfach in der Transportkiste gelassen. Immerhin, der Deckel ist geöffnet.