Überall hängen Plakate, in den Gängen stapeln sich Stühle, junge Menschen halten Schilder mit Forderungen in die Luft. Sie meinen es ernst und machen das mit ihrem selbstbewussten Auftreten deutlich. Sowohl Lehrende als auch Studierende der Fakultät Bildende Kunst der UdK Berlin erheben am Donnerstagnachmittag, zu Beginn des Symposiums "Gegen die Entmündigung von Kunst und Pädagogik", ihre Stimmen. Gemeinsam stehen sie hinter ihrem Anliegen, die aktuellen hochschulpolitischen Strukturen zu ändern und zu Gunsten aller zu verbessern. Norbert Witzgall ist Gastprofessor am Institut für Kunst und seit drei Jahren an der UdK. Er spricht über die Forderungen und mögliche Lösungsansätze.
Herr Professor Witzgall, wie kamen Symposium und Forderungen zustande?
Schon letztes Jahr wurde klar, dass etwas passieren muss, denn wir hatten mit einer Erhöhung der Aufnahmezahl der Studierenden von 90 auf 120 zu kämpfen – diese Zahlen steigern sich durch die Senatsvorgaben mit jedem Jahr. Spätestens an diesem Punkt haben wir bemerkt, dass die Gruppengröße die Qualität der künstlerischen Lehre negativ beeinflusst und zudem das Verhältnis von Studierenden der Bildenden Kunst zu Lehramtstudierenden kippte und wir unserem Frust ein Forum geben müssen. Im Fakultätsrat wurde deutlich, dass sowohl von Studierendenseite als auch von uns Lehrenden und den Werkstattleitern das Bedürfnis bestand, eine Stimme gegen den wachsenden Druck zu erheben. Bereits seit Jahresbeginn arbeiten wir gemeinsam an der Umsetzung. Wir haben versucht, unser Anliegen auf klare identifizierbare Forderungen herunterzubrechen, die alle auf eine verbesserte Studierbarkeit abzielen.
Warum erachten sie die Verlängerung der Regelstudienzeit als notwendig?
Die Studierenden für das Grundschullehramt, das ist ein besonders großer Teil, müssen neben dem Studium der Bildenden Kunst auch Mathe und Deutsch belegen, Lehramtstudierende fürs Gymnasium und die Integrierte Sekundarstufe studieren ein weiteres Fach. Das macht es unmöglich, sich wirklich auf die Kunst einzulassen. Lediglich mit größter Mühe und Not versuchen die Studierenden Scheine zu erlangen. Das ist ein absolut frustrierendes Erlebnis für sie. Aus so einem Frustationsgefühl kann nichts Wirksames entstehen, geschweige denn ansatzweise irgendetwas, was mit Kunst und freiem Denken zu tun hat. Diese problematische Entwicklung der fehlenden freien Entfaltung und Gestaltung eigener Gedanken und Welten setzt sich dann in den Schulen und weiterführend in der Gesellschaft fort. Mehr Zeit im Studium würde dieser Entwicklung entgegenwirken.
Sie fordern die Abschaffung des Praxissemesters. Ist ein solches Semester nicht wichtig?
Grundsätzlich sind Schulpraktika im Studium sehr wichtig, zudem stellt das vergütete Referendariat ein dichtes Feld an Praxis dar. Die Studierenden haben sowieso schon wenig Zeit. Ein zusätzliches Semester, das sie aus der künstlerischen Praxis reißt, stellt eine völlige Verhinderung und Unterbrechung der künstlerischen Ausbildung dar – die im Studium im Zentrum stehen sollte.
Woher kommen die Probleme, vor denen Studierende und Lehrkräfte heute stehen?
Einerseits hat sich Berlin stark verändert – es ist heute viel schwieriger, hier zu überleben. Andererseits hat sich mit der Einführung von der Bologna-Reform und dem Bachelor-/Mastersystem das Studieren modularisiert, verschult und verengt. Freiräume, die für künstlerisches Forschen unabdingbar sind, sind kaum mehr vorhanden. Die UdK könnte eine Hochschule sein, die so viel bieten könnte, aber durch fehlende Mittel und ein engmaschiges System wird eine Lehrer-Ausbildungsmaschinerie losgetreten, die die Kunsthochschule komplett kollabieren lässt und diese Ausbildung eigentlich gar nicht mehr möglich macht. Dies liegt zum einen an der Struktur des Studiums und zum anderen an den Forderungen des Senats.