Kunstwelt-Groteske "Problemista"

Fiebertraum in sozialer Kälte

Im Film "Problemista" will ein junger Einwanderer in der New Yorker Kreativszene Fuß fassen. Das Ganze eskaliert zu einem kafkaesken Trip zwischen Märchenwelt und Bürokratie-Elend. Im Zentrum wütet Tilda Swinton als unberechenbare Kunstkritikerin

Ein junger Kreativer versucht, in den USA Fuß zu fassen. Dass ihm das gelingen könnte, glaubt man nicht auf Anhieb. Zu scheu der Blick, zu verhuscht der Gang. So kann man sich täuschen. Schließlich ist Julio Torres inzwischen Regisseur, Autor, Produzent und Hauptdarsteller des neuen Films "Problemista", der nun in den deutschen Kinos läuft. Für sein autobiografisch gefärbtes Debüt konnte er sogar eine Tilda Swinton für die Rolle einer Kunstkritikerin gewinnen. Bekanntlich hat die Schottin eine Schwäche für Projekte jenseits des Mainstreams, mögen sie in ihrer Machart noch so ausgefallen sein. Und eine exzentrische Kritikerin hat sie in Wes Andersons "The French Dispatch" schließlich auch schon bravourös gespielt. 

Torres, der Kopf hinter "Problemista", hatte schon ein Leben vor dem Einstieg ins Filmbusiness. Der Einwanderer aus El Salvador schrieb als Comedy-Autor seit 2016 an 62 Ausgaben der Kultshow "Saturday Night Live" mit und entwickelte eine spanischsprachige Serie für HBO. Sein Alter Ego Alejandro träumt nun in dem Film von einem Job als Spielzeugentwickler beim Branchenriesen Hasbro. Doch weil seine Ideen zu versponnen sind, hält er sich mit einem Job in der Kryonik-Firma FreezeCorp über Wasser.                        

Täglich schaut er dabei zu, wie Menschen in Gefriertruhensärgen auf ihre Auferstehung warten, etwa der Maler Bobby, dessen Hauptmotiv gigantische Eier in surrealen Settings waren. Alejandro ist für dessen Kapsel zuständig. Dann stolpert er über das Verbindungskabel des Notstrom-Generators und beendet das arktische Koma frühzeitig. Mit der Kündigung gerät sein Arbeitsvisums-Verfahren in Gefahr, womit Tilda Swinton als Bobbys exzentrische Nachlassverwalterin, Witwe und Kunstkritikerin ihren Auftritt bekommt.

Der rettende Engel als Nervenbündel                                                            

Sie engagiert Alejandro großzügig als Assistenten, unter der Bedingung, dass es ihm gelingt, eine Ausstellung des Verstorbenen zu realisieren. Kein leichtes Unterfangen, zumal sich der rettende Engel allmählich als ein mit schlechtsitzenden violetten Locken und japanischen Designer-Outfits gesegnetes Nervenbündel entpuppt, unberechenbar und stets unter Strom. Einen nachvollziehbaren Handlungsbogen sucht man fortan in dem märchenhaften Plot vergeblich, dafür lenken die inszenatorischen Exzesse und die grelle Visualität zu sehr ab.                                                                                  
Das ist bewusst gewählt, denn Torres liefert einen Gegenentwurf zu all den Migrantenfilmen ab, die das Elend des erzwungenen Landwechsels als realistische Sozialdramen aufziehen. Die Kunstwelt bekommt nicht immer punktgenau ihr Fett ab, Sketch folgt auf Sketch, überspannte Figuren kommen und gehen und man wähnt sich mitunter auf einem kafkaesken Trip in die US-amerikanische Einwanderungsbürokratie, der keine Anstrengung zu abstrus ist, um die Ankömmlinge wieder vor die Tür zu setzen.                

Die von Tilda Swinton verkörperte satanische Gönnerin überzeichnet Torres zu einer Mischung aus streitsüchtigem Punk und techniküberfordertem Adelssprössling, der keine Gelegenheit auslässt, harmlose Servicekräfte für alle Übel ihrer Kunstblase mit Tiraden zu überschütten. Die Attacken machen auch vor Alejandro nicht Halt, trotzdem kommen sich die beiden "Problemistas", die Konflikte magisch anziehen, doch noch näher. Denn wirklich anecken möchte Torres mit seinem Werk dann offenbar doch nicht.             

Fantastik als Kontrastmittel

Er nutzt die Fantastik lieber als Kontrastmittel und lässt sie mit politischen Themen der Gegenwart kollidieren. Die Furcht vor der Abschiebung und das Hetzen von einem sinnlosen Job zum nächsten versinnbildlichen deshalb etwas brav rieselnde Sanduhren. Menschen kämpfen vergeblich dagegen an, aus Szenen zu verschwinden. Tilda Swintons Figur ist in dieser Welt die ultimative Belastungsprobe, die sich aber auf wundersame Weise zähmen lässt. Wenn Torres Büroräume zu verschachtelten Puppenhäuschen verdichtet, die über die Leinwand wuchern, verniedlicht er zugleich die reale Misere.                                                                                          

So treibt seine Groteske letztlich etwas orientierungslos im Großstadtdschungel umher, gibt sich mal schwarzhumorig, mal tröstlich sentimental. Der Realitätsverlust gelingt in den eigensinnigen Details vorbildlich. Fragt sich nur, ob sich so der systemische Druck auflösen lässt. Denn letztlich verharrt diese magische Spielerei im sozialen Kälteschlaf, den sie nur halbherzig zu bekämpfen vorgibt.