Pop-Kultur-Festival

Autotune, Memes und Widerstand

Die Schwestern Sierra und Bianca Casady untermalen die feministischen Texte ihrer Band Cocorosie mit ungewöhnlichen Samples wie Popcornmaschinen-Geräuschen. Im Herbst veröffentlichen sie ein lang ersehntes Album, am 23. August kann man einige der Songs bereits beim Pop-Kultur hören
Foto: Courtesy Pop-Kultur und die Künstlerinnen

Die Schwestern Sierra und Bianca Casady untermalen die feministischen Texte ihrer Band Cocorosie mit ungewöhnlichen Samples wie Popcornmaschinen-Geräuschen. Im Herbst veröffentlichen sie ein lang ersehntes neues Album, am 23. August kann man einige der Songs bereits beim Pop-Kultur hören

Wenn Pop und Kultur auf überraschend hohem Niveau zusammenkommen, dann nennt man es Pop-Kultur. Ein Überblick über die diesjährigen Highlights des Berliner Festivals

Vom 21. bis zum 24. August wird das Gelände der Kulturbrauerei erneut zur Spielwiese für alle, die Pop ernstnehmen. In seinem mittlerweile fünfjährigen Bestehen ist das Pop-Kultur-Festival zur festen Institution der Stadt geworden, dank Finanzierung vom Senat genießt es die Freiheit, wirklich interessante Acts zu zeigen. In diesem Jahr treten unter Anderem Mykki Blanco, Planningtorock, Anna Calvi und Cocorosie auf, dazu gibt es ein Rahmenprogramm aus Talks, Filmen und Workshops.

Künstlerische Auftragsarbeiten

Besonders machen das Festival auch die "Commissioned Works", Auftragswerke von Künstlern und Musikern, die speziell für das Festival neue Formate erarbeiten. In diesem Jahr setzt sich unter anderem der Fotograf Janto Djassi Roessner in einer audiovisuellen Performance mit der Fluidität von Identität auseinander. Aktivistin Yeşim Duman schafft mit ihrem kuratorischen Programm "Pop Hayat" zudem Raum für einen queeren postmigrantischen Diskurs: In Nuray Demirs und Yeşim Dumans "Çaystube" gibt es bei türkischem Tee Performances, Talks und Kafeesatzlesen, die Künstlerin und Illustratorin Moshtari Hilal arbeitet in "The Black Haired Bomb" die zärtliche und erhabene Schönheit von schwarzem Haar heraus und schafft so ein Gegenbild zu rassistisch und sexistisch aufgeladenen Konnotationen von Kopf- und Körperbehaarung.

Screenings und Talks

Für Diskussionsfreudige sind für unter 7 Euro Tagestickets für Talks und Filmvorführungen erhältlich. Masha Qrella, die sich in ihrer mit Comissioned Work mit der Lyrik des DDR-Widerständlers Thomas Brasch auseinandersetzt, spricht mit Kito Nedo und Dissidenzforscherin Elske Rosenfeld über Identität, Sprachlosigkeit und Utopie in der Musik und die Musiker Drangsal alias Max Gruber und Max Rieger führen mit der Journalistin Gesine Kühne ein Podcast-artiges Gespräch über Musik und warum sie scheiße klingt.

Außerdem erforschen Max Le Daron und Pamela Owusu-Brenyah die Nachwirkungen von Auto-Tune auf dem afrikanischen Kontinent, Tocotronic-Musiker Dirk von Lotzow liest aus seinem neuen Buch und die Betreiber der sehr lustigen Instagram-Accounts Feminist Meme School und Berlin Club Memes sprechen natürlich über Memes. Neben Jeremy Dellers Film "Everybody in the Place: An Incomplete History of Britain 1984-1992" ist außerdem, erstmals in Deutschland, die Doku "Where Does A Body End?" über die Band Swans zu sehen.

In den vergangenen Jahren wurde das Festival immer wieder zur Zielscheibe der antiisraelischen Gruppe BDS (Boycott, Divest, Sanction). 2018 bezeichnete BDS die Veranstaltung in einer Posterkampagne als "Sponsored by Apartheid", weil die israelische Botschaft einen Reisezuschuss von 1200 Euro beisteuerte. Mehrere Musiker und Bands zogen ihre Teilnahme zurück, bei einer Diskussionsrunde zum Thema "Boycott" wurde  Kultursenator Klaus Lederer von Protestierenden niedergeschrien. Gegenüber "Deutschlandfunk Kultur" erklärte Festival-Leiterin Katja Lucker damals: "Egal, wie lange, wie oft und wie viel wir da boykottiert werden, wir werden niemals davon abweichen, mit Israel zu arbeiten." Auch in diesem Jahr ist die israelische Botschaft auf der Website des Festivals als Unterstützer bei der Künstler-Aquise und der Reiseorganisation aufgelistet.