International, offen, liberal: Berlin galt lange als Sehnsuchtsort für Künstler, Kreative und Zeithaber aus aller Welt, die Mieten waren niedrig, der Erfolgsdruck gering, es gab Platz genug für alle. Doch Mythen sind dazu da, hinterfragt zu werden – und genau das tun wir in einer neuer Folge des Monopol-Podcasts "Kunst und Leben", in der wir eine kleine Bestandsausnahme machen: Wie geht es Berlin heute, ist es immer noch ein Mekka der Kunstszene?
Unser Gast Till Fellrath beantwortet diese Fragen "mit einem ganz klaren Ja". Zusammen mit seinem Kollegen Sam Bardaouil leitet Fellrath seit Anfang 2022 den Hamburger Bahnhof — Nationalgalerie der Gegenwart in Berlin. Beide haben schon in vielen Ländern gearbeitet, etwa in den USA, in Frankreich, China und Australien. Im kommenden Jahr kuratieren sie die 14. Taipei Biennale in Taiwan. Doch Berlin ist und bleibt ihre Basis, und das liegt auch an der Globalität dieser Stadt, erzählt Fellrath im Podcast. "Berlin ist eine sehr vielfältige Stadt, es gibt eine sehr breite Kunstszene, von der globale Impulse ausgehen, und Künstler:innen aus aller Welt kommen her, um sich zu entfalten – es ist ganz klar the place to be."
Berlin und Deutschland macht vor allem die breite öffentliche Förderung von Kunst und Kultur aus. Mieten und Gehälter der Museen, aber auch innerhalb der freien Szene werden in großen Teilen vom Staat getragen. Zwar hapert es noch bei den Programmbudgets, sagt Till Fellrath, aber die Grundkosten werden getragen. Dennoch würde sich Fellrath mehr Unterstützung für Ateliers wünschen und Räume, in denen sich Künstlerinnen und Künstler entfalten und experimentieren können. Selbstkritisch beschreibt Fellrath aber auch die Notwendigkeit, die Museen noch stärker zu öffnen. "Wir befinden uns in einem Transformationsprozess, der das Haus so breit und divers machen soll, wie es die Stadt selbst auch ist."
Grundfragen der demokratischen Gesellschaft
So tolerant Berlin oft wirkt, die Hamas-Attacken vom 7. Oktober und der folgende Gaza-Krieg haben in der Kunstwelt zu einer tiefen Spaltung geführt. Aktivistischer Furor auf der einen Seite und kulturpolitische Forderungen nach Verhaltenskodizes und Bekenntnisklauseln bedrohen die Freiheit der Kunst; es gibt viele Künstlerinnen und Künstler, die sich nicht mehr willkommen fühlen in der Hauptstadt. In diesem Zusammenhang sagte Klaus Biesenbach, Leiter der Neuen Nationalgalerie, im Gespräch mit der "New York Times": "If the artists leave, one of the last real bonuses that Berlin has would be gone."
Till Fellrath würde hinzufügen, dass hier nicht allein die Kunst betroffen sei. Vielmehr gehe es um Grundfragen unserer demokratische Gesellschaft: Wie kann man unterschiedliche Meinungen und Standpunkte zusammenbringen? Wie können wir zu einem Dialog kommen?
Über all das spricht Detektor.Fm-Moderatorin Aileen Wrozyna mit dem Kurator in dieser Folge von "Kunst und Leben", dem Podcast in Kooperation mit dem Monopol-Magazin. Zwei Mal im Monat behandeln wir darin alles, was die Kunstwelt bewegt, schauen hinter die Kulissen, lassen Kuratorinnen und Künstler zu Wort kommen und erfahren Exklusives zu ihren Arbeiten und Perspektiven.
Die aktuelle Folge des Monopol-Podcasts können Sie auf allen gängigen Plattformen hören – oder direkt hier: