Pink polarisiert, Pink ist politisch: Die Geschichte der Farbe lässt sich nicht ohne die Geschichte des Feminismus, ökonomische Entwicklungen und Trends erzählen. Pink ist das schrillere, blaustichigere Rosa. Ein satter, kräftiger Ton, dessen Geschichte lange zurückreicht: 1,1 Milliarden Jahre, um genau zu sein. In eine Zeit, in der die Erde nur von Bakterien bevölkert wurde. Die uns grau erscheinende, ewige Vergangenheit war alles andere als das: Die Bakterien leuchteten pink. Forschende der Australian National University (ANU) gehen davon aus, dass es sich um die älteste Farbe der Welt handelt.
Heute begegnen uns in der Natur vor allem pinke Blüten: Rosen, Nelken oder Rhododendren können die knallige Farbe annehmen. Die Farbbezeichnung pink-coloured trat allerdings erst 1681 auf. Anders als im Englischen unterscheidet man im Deutschen zwischen "Rosa" und "Pink", das von dem englischen Wort für Nelke, pinken, abstammt. Im Mittelenglischen war dies ein gebräuchlicher Begriff für "zerschlitzen" oder "perforieren", was auf die zerfransten Ränder der Blüten zurückgeht.
Doch besser als über die Natur lässt sich die Geschichte der Farbe Pink über die Mode erzählen. Auch wenn der Ton heute eher weiblich konnotiert ist, war das nicht immer so. Im Rokoko und elisabethanischen England war Pink eine beliebte Farbe der Männermode, zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt sie als "das kleine Rot", ein Ableger des kräftigen, starken und royalen Tons, der für Männlichkeit stand. Die heutige, binäre Farblehre "Blau = männlich, pink = weiblich", galt genau anders herum. Blau wurde durch die Assoziation mit der Jungfrau Maria als Farbe der Weiblichkeit gelesen. Erst die Matrosen- und Arbeiterkleidung "vermännlichte" alles Blaue. Das ist vor allem ein westliches Phänomen. Das chinesische Wort für Pink 粉色的, (Fěnsè de) bedeutet übersetzt so viel wie "fremde Farbe", erst durch westliche Einflüsse wurde Pink in China bekannt. In Korea symbolisiert es bis heute Vertrauen.
Monroe, Madonna, Barbie
In der Fashion-Welt entdeckte die italienisch-französische Modeschöpferin Elsa Schiaprelli die Farbe Pink in den späten 1930er-Jahren für sich. Ihr charakteristisches shocking pink, einen magenta- bis fuchsiafarbener Ton, verwendete sie erstmals 1937 für das Design der Verpackung ihres Parfums "Shocking". Schon bald wurde die Farbe zu ihrem Markenzeichen: Sie kleidetet Zsa Zsa Garbor für den Film "Moulin Rouge" (1952) in ein pinkes Kleid mit Tüll-Applikationen an einer Schulter, brachte zahlreiche pinke Roben auf den Laufsteg und soll sogar Zigaretten mit gefärbten Filtern geraucht haben.
Während diese Wahl für Schiaparelli Selbstbestimmung und Kraft symbolisierte, entstand spätestens durch Marylin Monroes Auftritt in "Gentlemen prefer Blondes" (1949) parallel eine neue Deutung der Farbe. In einem knallpinken, schulterfreien Kleid und passenden Handschuhen sang Monroe ihren berühmten Song "Diamonds Are a Girl’s Best Friend", den Madonna 25 Jahre später in "Material Girl" würdigte - in einem Outfit, das dem von Monroe zum Verwechseln ähnlich sieht.
Pink steht nun für Verführung, Weiblichkeit, Sexappeal. Kein Wunder, dass das Marketing der 1959 entwickelten Modepuppe Barbie von Anfang an in Pink gehalten wurde, so wie viele ihrer Kleider. Pink versinnbildlicht Erotik, Liebe, Leben, es erscheint als süße Farbe - auch weil sie uns geschmacklich nahezu nur in süßer Form begegnet: eingefärbte Zuckerwatte, Bonbons, knalliges Kaugummi, Beeren oder duftende Blumen.
Beruhigend oder vulgär?
Auch für Gesundheit ist Pink ein Zeichen: Die Farbe erinnert an gut durchblutete Haut, zumindest an weiße. Sagt man im amerikanischen Englisch umgangssprachlich looks like she’s in the pink, meint das so viel wie: Sie sieht aus wie das blühende Leben. Einen ähnlichen Ursprung hat übrigens auch der Name des Popstars Pink. Frei nach der Anekdote, ein Junge habe ihr im Ferienlager die Hose heruntergezogen und ihren Intimbereich mit look at that pink girl!, kommentiert. So sei der Alias der Sängerin (bürgerlich Alecia Beth Moore) entstanden.
In der Kunstwelt taucht Pink vor allem seit den 1960er-Jahren auf. Andy Warhols Pop-Art-Drucke von Marilyn-Monroe erscheinen vor knalligem Hintergrund, so wie Franz Wests riesige bemalte Aluminiumskulpturen, die die Beziehung zwischen Körper und abstrakten Formen thematisieren, etwa in Form eines überdimensionierten pinken Phallus ("Sexualitätssymbol", 1999). Und auch die Künstlerin Lea Gulditte Hestelund zeigte auf der Art Brussels an einem fuchsiapinken Stand vor einigen Jahren runde Marmorobjekte, die wie Sexspielzeug anmuteten.
Man kann durchaus den Eindruck bekommen, der Farbe hafte etwas Vulgäres an. Dabei kann sie noch viel mehr: Die Baker-Miller-Pink-Studie aus den 1970er-Jahren zeigte, dass sie eine beruhigende Wirkung hat. Um Gewalttaten zu reduzieren, werden seitdem immer wieder Gefängniszellen pink gestrichen.
Die Pinkifizierung der Welt
So positiv viele dieser Deutungen sind, löst die Farbe auch negative Assoziationen aus. 2010 führten die Universitäten Liverpool und Prag eine psychologische Studie durch, die Kleidungsfarben nach der Ernsthaftigkeit und Intelligenz der Trägerinnen und Träger sortieren sollte. Pink landete dabei auf dem letzten Platz, für viele Teilnehmende war sie mit Dümmlichkeit und Passivität verbunden. Das hat sicher nicht nur etwas mit der (Un-)Beliebtheit der Farbe zu tun, sondern auch mit der Zuschreibung, es sei eine "weibliche" Farbe, also mit Misogynie.
Pink wurde folgerichtig auch eine Farbe des Feminismus. Besonders in den USA ist sie zu einem Protestsymbol geworden. So strickten Frauen, die in Washington gegen den Ex-Präsidenten Donald Trump protestierten, pinke Mützen, die sie pussy hats nannten. Die Organisation Code Pink demonstrierte 2002 in passender Kleidung vor dem Weißen Haus gegen den Irakkrieg. Auch, um an das Risiko für Brustkrebs zu erinnern, wird die Färbung eingesetzt. Aber nicht nur Frauen, auch die queere Szene hat sich Pink zu Eigen gemacht. Nachdem in Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus schwule Männer in Konzentrationslagern mit rosafarbenen Armbinden gekennzeichnet wurden, hat sich die Bewegung die Farbe zurückerobert. Auf der LGBTQIA+-Regenbogen-Flagge steht Pink für die Sexualität.
Andere Initiativen scheinen Pink dagegen nicht so empowernd zu finden, eher im Gegenteil. Sie üben nicht nur Gesellschafts-, sondern auch Farbkritik. Die politische Bildungsorganisation "Pink Stinks", schreibt beispielsweise auf ihrer Website: "Menschen sind mehr als Pink und Blau" und prangert starre Geschlechterrollen in Medien und Marketing an. In der Gender-Theorie hat sich daraus der eigene Begriff "Pinkifizierung" etabliert, der sich auf geschlechtsspezifisches Marketing bezieht.
Pink hat Power
Besonders deutlich wird das in Spielzeugabteilungen: Der blaue Bagger für Jungen, die pinke Barbie für Mädchen. Hersteller erhoffen sich einen höheren Absatz durch das doppelte Angebot. Auch in Drogeriemärkten ist das zu sehen: blaue, billigere Rasierer für Männer, pinke, teurere für Frauen. "Pink Tax", nennt man das Phänomen, dass Beauty-Produkte für Frauen mehr kosten. Geschuldet der Annahme, diese seien bereit, mehr in ihr Äußeres zu investieren. Und sogar im Straßenverkehr wird die Farbe als Erkennungszeichen eingesetzt. Eine Buslinie in Pakistan, die nur von Frauen genutzt werden darf, leuchtet quietschend rosa.
2023 sehen wir mehr Pink denn je. Nachdem sich der Designer Jeremy Scott schon 2015 für seine Sommerkollektion für Moschino von Barbie hat inspirieren lassen, macht der Hype um Greta Gerwigs neuen Film "Barbie" die Knallfarbe omnipräsent. Während der Dreharbeiten war es sogar zu Lieferengpässen der Farbe gekommen, weil am Set so viel davon verpinselt worden war.
Um passend zum Film gestylt zu sein, häufen sich auf Instagram Videos von pink gekleideten Frauen auf Premieren, der Filter "This Barbie is…", den Nutzerinnen mit persönlichen Beschreibungen und einem Selfie ergänzen konnten, ging viral. Kim Kardashian posiert in Pink, Justin Bieber, die Sängerin Lizzo ebenso und sogar Königin Letizia von Spanien bei der Krönung von Charles dem Dritten in London. Der Schauspieler Sebastian Stan zeigt sich auf Instagram von Schuhsohle bis Kragen in einem pinken Valentino-Look (sogar seine Socken passen perfekt). Pink wird nicht mehr nur mit "Tussi-Gehabe" oder Mädchenhaftigkeit verbunden. Pink hat Power. Wie Peter Fox (der im Musikvideo übrigens einen blauen Anzug trägt) singt: "Ich seh die Zukunft pink / Zukunft pink / Alles gut, mein Kind."