Peyman Rahimi in Oldenburg

Der geteilte Raum

Der deutsch-iranische Künstler Peyman Rahimi besitzt die Gabe, das Persönliche so lange zu destillieren, bis etwas Allgemeingültiges daraus wird. Nun zeigt er eine labyrinthische Spiegelwelt in Oldenburg

Eine monumentale Spiegelarbeit zeigte Rahimi das erste Mal im damals neu errichteten Literaturhaus in Frankfurt hinter dem großen Säulenportikus am Main. Die Gruppenausstellung in 2008 hieß "Boxer". Sie war 28 Künstlerinnen und Künstlern der Städelschule – ehemaligen wie damaligen Studenten – gewidmet, um den "Footprint" zu würdigen, den die Ausstellungshalle Portikus, ein Container hinter dem Relikt des Säulenportals, über viele Jahre an diesem Ort hinterlassen hatte. Rahimi entwarf einen überdimensionalen, vielfach gebrochenen Spiegel in situ über die gesamte Höhe der Eingangshalle und durchteilte mit ihr den Raum. Nicht nur den tatsächlichen. Es ist die Teilung eines Erinnerungsraumes in einer Biografie, die sich zwischen Iran, wo Rahimi geboren ist, und Frankfurt, wohin er mit 22 Jahren zum Studium an die Städelschule in die Klasse von Christa Näher ging, aufspannt.

Der Spiegel ist bis heute fest im Werk Rahimis verankert. Er liegt auf dem Boden wie der Teich des Narziss am Fuße des Helikon, und tut um sich herum ein Schattenreich für die Lichtgestalten auf. Der Jüngling ist die Schönheit, die stirbt, um als Blume fortzuleben. Der Spiegel zeigt, was die Kunst selbst vermag.

Peyman Rahimi erschafft in seinen Installationen Zwischenbereiche, die sich zu etwas Sublimen fügen. Was geschieht, wenn der Raum etliche Male geteilt wird, und was tut sich in dem Erinnerungsraum auf, der aus der Teilung entsteht? Den Raum bei seiner aktuellen Ausstellung in Oldenburg durchbricht ein großes Labyrinth aus Gittern, es nimmt den Besucher zeitweilig gefangen, ein Verwirrspiel, ohne Ausgang und Ende, kein Fluchtweg.

Rahimis Gabe zur Abstraktion

Den Betrachter durch das Labyrinth zu führen, wie auf dem Weg ins Jenseits, ist eine physische Erfahrung. Rahimi ist im Krieg aufgewachsen. Alltäglich die Begegnungen mit Kindersoldaten in den Kämpfen zwischen Iran und Irak. Ihre Konterfeis hingen öffentlich im Stadtraum.

Räume werden dort aus einfachsten Materialien rasch gebaut – Stoffbahnen abgehängt, um kurzfristig einen Trauer- oder ebenso gut einen Feierraum zu schaffen, so wie die Huldigung der Diktatoren es eben gerade verlangt. Mit den schwarzen Vorhängen entstehen auch hier Innen- und Außenraum, Hell und Dunkel. Die Vorhänge verweisen auch auf etwas Theaterhaftes. Rahimis Gabe für Abstraktion besteht darin, das Persönliche so zu destillieren, dass es allgemeingültig wird.

Hier im Kunstverein fügt sich dazu ein Kriegslicht der auf den Raum verteilten grün-fahlen Lampen. Seit Thomas Ruffs Nachtbildern hat sich das grüne Leuchten ins Bildgedächtnis eingeprägt. Und damit der Golfkrieg. Damit wurden Dinge sichtbar, die der Mensch mit bloßem Auge nicht erfassen kann. Und der Krieg kam in Jetzt-Zeit übers Fernsehen in unsere Wohnzimmer. Zur Kriegsbeleuchtung fügen sich in Oldenburg die Sandsäcke, die sich im Raum auf den Gittergängen verteilen, so wie sie aus dem iran-irakischen Krieg von den Stellungsbarrieren bekannt sind.

Erinnerung als vierte Dimension

Der Ausstellungsmacher Veit Loers hat darauf hingewiesen, dass Rahimi immer wieder Anleihen beim Vokabular der Alchemie und ihren Verfahren gemacht habe. Er vergleicht die Bilder mit der sogenannten "Geisterfotografie". Die verzerrten Gesichter in den Bildern geben konkret eine Ahnung von den Giftgaseinsätzen beider Seiten im Irak und Iran. Oft sind Münder zum schwarzen Loch mutiert. Oder er bearbeitet die Gestalten durch Mehrfachbelichtung so weiter, dass sie zu Blumen werden.

Es sind Metamorphosen, wie man sie aus den Geschichten von Ovid kennen, wo sich Götter, Halbgötter und Nymphen in Flora und Fauna verwandeln. Nach dem Tod gibt es ein Weiterleben in anderer Form. Die Kindergräber der jungen Märtyrer in Teheran trugen Blumenschmuck. So hat es sich in das Künstlergedächtnis eingeschrieben.

Im ausgehenden 19., beginnenden 20. Jahrhundert bestand unter Künstlern und Wissenschaftlern Einigkeit darüber, dass es in der Natur Phänomene gibt, die sich der Wahrnehmungsmöglichkeit des menschlichen Auges entziehen. Es war deutlich, dass es eine vierte Dimension geben musste, doch auf der Suche danach vermischte man okkulte und wissenschaftliche Erkenntnisse – zum Beispiel Röntgenstrahlen mit Hellsichtigkeit. Die vierte Dimension bei Peyman Rahimi ist die Erinnerung. Der geteilte Raum, ein Erinnerungsraum.