Blüten, Zweige, Plastikmüll – ein seltsames Biotop schwebt im Obergeschoss des Kunsthauses Bregenz. "Lungenkraut" lautet der Titel des Environments von Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger. Das Schweizer Künstlerpaar hat in einem zweiwöchigen Prozess Kunstdüngerkristalle auf die Betonwände gepflanzt, hat Fundstücke aus dem Kunsthaus mit Pflanzen gekreuzt und lässt die skulpturalen Schöpfungen nun an Fäden von der Decke herabhängen. Mancher Garten täuscht unberührte Natur vor, dieser zeigt ganz offen seine Künstlichkeit. Bei Architektur ist das übrigens selbstverständlich, seit Menschen nicht mehr in Höhlen wohnen.
Ein Tempel der besonderen Art ist das Kunsthaus Bregenz. Es "steht im Licht des Bodensees. Sein Körper ist aus Glasplatten, Stahl und einer Steinmasse aus gegossenem Beton gebaut, die im Innern des Hauses Struktur und Raum bildet", wie sein Architekt Peter Zumthor einmal geschrieben hat.
Zum 20. Geburtstag des Museums hat der 1943 in Basel geborene Architekt nun Carte blanche erhalten, bis zum Januar ein "Fest der Künste" auszurichten. Dazu gehören rund 160 Veranstaltungen – Konzerte, Lesungen, Gespräche –, die im Foyer (nun eine Bar) oder im zweiten Stock (in der ruhigen Atmosphäre einer temporären Bibliothek) stattfinden können. Das Zumthor-Fest "Dear to Me" besteht aber auch aus einer Ausstellung, der "Lungenkraut"-Garten ist nur ein Teil davon.
Architektur verbindet die Disziplinen, da wundert es nicht, dass Zumthor keine ortstypische Gruppenschau kuratiert hat. Neben Steiner und Lenzlinger hat der Architekt noch eine Fotografin und eine Komponistin eingeladen. Ihre Werke werden im ersten Stock des Kunsthauses präsentiert, sie nehmen wenig Raum ein, sodass das Zumthor-Interieur hier am besten betrachtet werden kann: die schon legendäre Tageslichtdecke, der Terrazzoboden, die samtigen Betonwände. Ringsum hängen die großformatigen Schwarz-Weiß-Bilder der Tessiner Fotografin Hélène Binet. Sie zeigen die gepflasterten Wege der Akropolis, geschaffen von Dimitris Pikionis, dem 1968 verstorbenen Lieblingsarchitekten von Zumthor. In der Mitte des Raums ist eine winzige Spieluhr platziert, mit der man kurbelnd die 16 Meter lange Lochstreifen-Komposition von Olga Neuwirth zum Klingen bringen kann. Die Partymusik der besonderen Art heißt "Tinkle for P.Z.".