Peter Buggenhout in Wuppertal

Stabiler Zerfall

Der Belgier Peter Buggenhout erschafft Skulptur-Ungetüme, die in einem permanenten Prozess der Deformation stecken. Zuweilen wirkt das wie männliche Muskelkunst - dabei geht es eigentlich um menschliche Fragilität

Hat es in Tony Craggs Skulpturenpark Waldfrieden Schrott geregnet? Wohl kaum, denn die aufgeschichteten Gebilde streben auffällig zum Himmel, halten die Stellung in den zwei Hallen und im Park und verteilen sich nicht etwa in Einzelteilen über das hügelige Gelände. Im Freien winden sie sich um einen Stahlmast. Das Gegengewicht bildet ein Betonsockel. Den Eindruck von Stabilität und Zerfall zugleich zu suggerieren, muss man erstmal schaffen. Zu verantworten hat die virilen Großplastiken Peter Buggenhout. 

Er nennt sie "abjekte Dinge" – gemeint sind Objekte, die sich gewohnten Zusammenhängen entziehen. Sie entstehen durch eine Kombination aus virtuoser Handwerkskunst und den neuesten digitalen Scan- und 3D-Drucktechniken. 

Der Belgier erschafft Objekte, die in einem permanenten Prozess der Deformation stecken. Sie folgen vordergründig den Parametern der Abstraktion und entstehen oft über einen langen Zeitraum hinweg. Es sind wilde Manifestationen aus vertrauten Materialien, die verfremdet werden – verbogenes Metall, zerdrücktes Holz, geschmolzener Kunststoff oder zerrissenes Papier. Hier und da ragt Textilgewebe heraus, aber auch Organisches wie Kuhmägen, Pferdehaar und Staub. Die Fragmente sind ihrem ursprünglichen Kontext entrissen, und sogleich fragt man sich, welche Geschichten sich hinter diesen Müllungetümen wohl verstecken.

Hommage an den Turmbau zu Babel

Manche der Skulpturen bilden unter Titeln wie "In der Warteschleife" Serien. Anbetracht von "Babel Variationen II" mutet dieses Ensemble aber noch fast fragil an. Denn die Hommage an den Turmbau von Babel misst veritable 14 Meter und setzt sich aus den aufgerichteten Holmen und Rädern mehrerer LKWs zusammen. Die Assoziationen oszillieren hier etwas hilflos zwischen männlicher Muskelkunst und martialischer Zivilisationskritik. Zielscheibe der buchstäblich raumgreifenden Installation ist aber immerhin der Versuch der Menschheit, Gott gleichzukommen und die Sackgasse zu entlarven, in die er mit dem Mantra des grenzenlosen Wachstums geraten ist. 

Die auf der Höhe der Villa liegende mittlere Ausstellungshalle beherbergt schließlich "The Blind leading the Blind", eine zur Abwechslung in Breite strebende düstere Installation, die dank ihrer mehrschichtigen Staubverwendung sogleich zu apokalyptischen Metaphern anregt. Der Titel, der einem Meisterwerk Pieter Brueghels des Älteren und einer Passage aus dem Matthäus-Evangelium entnommen ist, spiegelt eindringlich Buggenhouts Poetik, die die Fragilität menschlichen Wissens aufzeigen will. 

Die Staubskulpturen bilden bei ihm fast ein eigenes Genre und konfrontieren uns mit der Unberechenbarkeit von allem – Kultur, Geschichte, Natur und biologischem Leben. Hinter der skulpturalen Kraftmeierei steckt also reichlich existenzielle Angst vor einem drohenden Untergang – und die sollte man in Zeiten wie diesen ganz ohne Umleitungen ernst nehmen.